Angriffswirbel? Welcher Angriffswirbel? Die Los Angeles Rams laufen mit der zweitbesten Offensive der Liga im Mercedes-Stadion in Atlanta auf. Doch die Abteilung Attacke der Kalifornier gleicht in der ersten Hälfte einem lauen Lüftchen. 2 First Downs schafft Quarterback Jared Goff (24) in den ersten 30 Minuten gerade mal – debakulös.
Der Defense der New England Patriots gelingt es immer wieder, den unerfahrenen Passer mit unerwarteten Formationen zu verwirren. Logisch also, dass bei den Rams zur Pause die Null steht.
Bezeichnend für die Rams-Schwäche: Patriots-Receiver Julian Edelman bringts in der ersten Hälfte auf fast doppelt so viele Yards als das ganze LA-Team zusammen!
Doch auch die Patriots bekleckern sich zunächst nicht gerade mit Ruhm, Superstar Tom Brady (41) leistet sich einen veritablen Fehlstart, wirft mit seinem ersten Pass gleich eine Interception.
Immerhin bringt der Dominator der letzten Jahre ein Field Goal zustande, führt zur Pause mit 3:0. Weniger Punkte gabs in einer Super-Bowl-Halbzeit erst einmal – Minnesota und Pittsburgh fabrizierten in den Siebzigern einst ein Pausenresultat von 2:0.
Das Feuer zünden erst Maroon 5 und Rapper Travis Scott während der Halbzeit-Show – mit Pyro-Spektakel und letzterer mit verbalen Unflätigkeiten, die im TV von der prüde-familienfreundlichen Regie ausgepiept werden müssen.
Action in der zweiten Halbzeit
Aber dann, tief im dritten Viertel: Plötzlich zusammenhängende Rams-Spielzüge! Hat Trainer-Wunderkind Sean McVay (33) die Strategie seines Widersachers Bill Belichick (66) endlich geknackt? Es sieht kurz so aus, Rams-Receiver Brandin Cooks hat in der Endzone kurz sogar die Finger am Ball – Touchdown nur hauchdünn verpasst. Stattdessen kicken auch die Rams ein Field Goal. Immerhin 3:3, alles noch drin.
Patriots mit entscheidendem Touchdown
Doch nun legen die Patriots noch einen drauf. Brady findet mit seinem Pass den gigantischen Tight End Rob Gronkowski, nur zwei Yards von der Endzone entfernt! Auf der Tribüne dreht Gattin Gisele Bündchen durch. Wahrscheinlich, weil sie weiss, was nun kommt: Sony Michel trägt den Ball in die Endzone, erster Touchdown des Spiels, 10:3.
Die Vorentscheidung dann 7 Minuten vor Schluss: Zwar wirft Goff plötzlich gute Pässe – aber kurz vor dem Ausgleich eben auch einen zum Gegner.
Die Patriots schaffen es anschliessend, Zeit von der Uhr zu nehmen und kicken 70 Sekunden vor Schluss ein Field Goal zum 13:3.
Kein Aufbäumen mehr
Die Rams müssten nun zweimal punkten, ein fast unmögliches Unterfangen gegen diese Verteidigung. Es gelingt nicht. Ihr Kicker, Greg Zuerlein, verschiesst ein paar Sekunden vor Schluss noch ein Field Goal, vergibt die letzte Chance auf ein unglaubliches Comeback. Die New England Patriots gewinnen den Super Bowl!
Damit ist klar: Die Pats bleiben das Mass aller Dinge! Tom Brady holt seinen 6. Super-Bowl-Ring und zementiert damit seinen Status als Grösster aller Zeiten – ohne die ganz grosse Leistung gezeigt haben zu müssen.
Die Auszeichnung für den wertvollsten Spieler geht an Patriots-Receiver Edelman: Der 32-Jährige, zu Saisonbeginn noch wegen eines Doping-Vergehens für vier Spiele gesperrt, schnappt sich 10 Brady-Pässe für 141 Yards Raumgewinn. Dessen lapidares Reaktion bei der Ehrung: «Ich wollte einfach eine Woche gut trainieren. Manchmal kommt das dann so heraus.»
Bezeichnend für die Partie: Beide Quarterbacks bleiben ohne Touchdown, das Spiel geht als der Super Bowl mit den wenigsten Punkten in die Geschichte ein. «Unsere Defense war unglaublich, wir haben sie heute», sagt Brady danach. «Wir hätten besser angreifen können, aber es geht am Ende darum, einen Weg zum Sieg zu finden.»
Brady macht weiter
Der Kalifornier muss es wissen. Kein Spieler hat mehr Titel als Tom Brady und kein Trainer mehr Super-Bowl-Ringe als Bill Belichick. Das Duo ist für sämtliche sechs Patriots-Titel verantwortlich, das Team aus Neuengland zieht damit mit den Pittsburgh Steelers als erfolgreichstes NFL-Team in der Geschichte gleich. Es deutet einiges darauf hin, dass das letzte Kapitel der Patriots-Dominanz noch gar nicht geschrieben ist.
Brady bestätigt nach dem Final noch einmal, weitermachen zu wollen. Die Gegner dürften es mit Bedauern zur Kenntnis genommen haben.