Er konnte nicht ahnen, was er auslösen würde. Vier Jahre ist es her, seit Colin Kaepernick (32) alles aufs Spiel setzte. Damals begann der Quarterback der San Francisco 49ers, während der US-Nationalhymne vor den Spielen der National Football League niederzuknien – als Zeichen des Protests gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA.
«Ich werde nicht aufstehen und der Flagge eines Landes die Ehre erweisen, das schwarze und farbige Menschen unterdrückt», sagte er. «Für mich ist das wichtiger als Football, es wäre egoistisch von mir, wegzuschauen. Es gibt Tote in den Strassen, die Verantwortlichen werden dafür bei Lohnfortzahlung suspendiert und kommen mit Mord davon.» Dutzende NFL-Stars beteiligten sich am Protest.
Heftige Reaktionen
Die Reaktion der Gegenseite: heftig. Kaepernick beschmutze mit der Aktion das Ansehen der Nation, entehre die Flagge und erweise dem US-Militär nicht den nötigen Respekt. Donald Trump, damals im Präsidentschafts-Wahlkampf bezeichnete ihn als «Hurensohn» und forderte seine Entlassung.
Trumps Wunsch war den NFL-Teambesitzern Befehl. War es noch halbwegs nachvollziehbar, dass Kaepernick und die 49ers nach einer Reihe von sportlich schwierigen Saisons getrennte Wege gingen, grenzte es ans Absurde, dass der Passer in den folgenden Jahren von keinem der anderen 31 Teams eine Chance bekam – während Jahr für Jahr zweit- und drittklassige Quarterbacks neue Verträge erhielten.
Grosser Einfluss
Kaepernick klagte gegen die Liga wegen illegaler Absprachen, vor einem Jahr einigte man sich aussergerichtlich. Wie viel Geld floss, ist unklar. Zwischen 10 und 80 Millionen US-Dollar sollen es gewesen sein.
Einen NFL-Vertrag hat Kaepernick bis heute nicht bekommen. Sein Einfluss aber ist gross: In der Bundesliga zelebrierte Gladbachs Marcus Thuram sein 2:0 gegen Union Berlin in der Kaepernick-Pose. Bis Mittwoch hatten laut einer Zählung des Portals «Fivethirtyeight» 28 von 33 NFL-Quarterbacks, die Stammspieler-Kandidaten sind, via soziale Medien die brutale Tötung von George Floyd (†46) verurteilt und die Proteste unterstützt. Vor vier Jahren noch traute sich kaum einer der ganz grossen Stars, sich zu äussern.