Es mag dieser Tage in den USA drunter und drüber gehen, ein paar Gewissheiten bleiben: Man muss sterben, Steuern zahlen und wer den Super Bowl gewinnen will, braucht einen Spitzen-Quarterback.
So schien es zumindest bis jetzt. Tom Brady, Peyton Manning, Russell Wilson hiessen die letzten Passer, welche die begehrte Lombardi-Trophäe in die Höhe stemmen durften. Doch nun scheint auch diese Weisheit ins Wanken zu geraten.
Denn jetzt ist da Blake Bortles (25). Eigentlich passt alles: Der Quarterback der Jacksonville Jaguars ist 1,96 m gross, 105 kg schwer, robust wie ein Pick-up-Truck. Mit einem kräftigen Wurfarm und schnellen Beinen. Wenn man hundert Talentspäher den perfekten Quarterback zeichnen liesse, sie würden Blake Bortles malen. Kein Wunder also, dass dieser 2014 im Draft an dritter Stelle gezogen wurde.
Seither ist allerdings nicht mehr Theorie, sondern Praxis auf dem Spielfeld gefragt. Und das geht selten gut: 90 Touchdown-Pässe hat er in vier Saisons in der National Football League geworfen – aber den Ball auch 64-mal so geschleudert, dass ihn der Gegner abfangen konnte.
Zu viele schlechte Entscheidungen, zu viele Fehler, keine Fortschritte: Mehr als einmal stand Bortles kurz vor der Degradierung auf die Ersatzbank.
Spott und Hohn für Bortles
Statt Verehrung auf Popstar-Niveau, wie sie den besten NFL-Quarterbacks zuteil wird, hagelt es für den Jacksonville-Passer vor allem Spott. Auf Twitter verfolgen 75'000 den Satire-Account «Blake Bortles Facts», der sich permanent über ihn lustig macht.
Beispiel: «Bortles und Tom Brady haben zusammen 5 Super-Bowl-Siege, 2 MVP-Auszeichnungen und 10 All-Star-Game-Aufgebote.» Natürlich sind das alles Bradys Errungenschaften, bei Bortles steht in all diesen Kategorien eine Null.
In der NBC-Serie «The Good Place» wird Bortles dank der Figur Jason Mendoza, einem dümmlichen Jaguars-Fan, zum Running Gag. Nur ein Trottel, so die Botschaft, kann Bortles die Treue halten.
Doch ausgerechnet der soll Tom Brady nun in die Suppe spucken. Dem grössten Star, den die NFL derzeit zu bieten hat. Dem perfekten Quarterback, vielleicht dem Besten aller Zeiten.
Mit seinen Jacksonville Jaguars spielt Bortles am Sonntag um den Einzug in den Super Bowl. Der Gegner: Brady und die New England Patriots.
Jaguars hoffen auf die Defense und einen Neuling
Nicht, weil Bortles plötzlich zum Wunder-Werfer geworden wäre. Eher dank einer starken Abwehr, dem sensationellen Rookie-Ballträger Leonard Fournette und cleverem Coaching stehen die Jaguars nun kurz vor dem ganz grossen Ding. Trotz ihrem Quarterback, sagen böse Zungen gar.
Doch den stört das nicht. «Es gibt Leute, die glauben, LeBron James sei schlecht», sagte Bortles nach dem Sieg in der Playoff-Startrunde über die Buffalo Bills. «Darum wird es auch immer Leute geben, die denken, ich sei schlecht.»
Denn wahrscheinlich weiss er: In den USA mag derzeit einiges drunter und drüber gehen. Eine Binsenweisheit gilt weiterhin: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.