Ob Peyton Manning (39) sich vor dem Super-Bowl-Sonntag fürchtet? Wahrscheinlich nicht. Auch wenn er damit nicht allein wäre. «Die Menschen haben noch nie jemanden wie mich gesehen. Das macht ihnen Angst», sagt Cam Newton (26), Quarterback der Carolina Panthers. «Sie können mich nicht einordnen.»
Tatsächlich kommt es am Sonntag beim Super Bowl in Santa Clara (Kalifornien) zum Duell der Gegensätze. Denvers Superstar Manning, weiss, Südstaatler, entstammt einer Quarterback-Familie: Vater Archie spielte in der NFL, Bruder Eli führt derzeit die New York Giants an. Der Mann ist ein Profi, immer kontrolliert, glattgebügelt, politisch korrekt, bietet keine Angriffsflächen.
Newton ist dagegen dunkelhäutig, laut, spektakulär, undiplomatisch. Das treibt manche Fans auf die Palme. Dass er mit seinem Team in dieser Saison, in der er bis auf ein Spiel ungeschlagen blieb, bereits in den Schlussminuten Seitenlinien-Selfies schiesst etwa, sorgt in den letzten Monaten mächtig für Wirbel.
Dass Newton nach gelungenen Spielzügen mit einem «Dab» feiert, nach Touchdowns den Superman macht und Kindern auf der Tribüne Footbälle schenkt, das mag in den Augen vieler Football-Traditionalisten für gesichtslose Wide Receiver oder Running Backs angehen. Für einen Quarterback gehört sich das nicht.
Wenn dieser Quarterback dann auch noch Afroamerikaner ist, treibt der Unmut über solch unkonventionelles Verhalten auch mal traurige Blüten. Das kann Newton nicht ändern. Auch wenn er sagt: «Unser Spiel ist grösser als schwarz, weiss oder grün. Wir schränken uns ein, wenn wir uns in Schubladen stecken.»
Ob der ganzen Nebenschauplätze geht gern vergessen, dass der 26-Jährige in seiner fünften NFL-Saison den Durchbruch endgültig gepackt hat. Und wie: Denn Newton ist zwar furchteinflössend riesig (1,96 m, 110 kg) und schnell. Aber er ist nicht einfach ein Läufer, hat einen ebenso starken wie genauen Wurfarm. Die 35 geworfenen Touchdowns sprechen eine klare Sprache. Und sind noch beeindruckender, wenn man um die Verletzungsprobleme der ohnehin eher mässigen Carolina-Receiver weiss.
Morgen Samstag wird Newton wohl zum wertvollsten Spieler der Saison gewählt, zum MVP. Siegt er in der Nacht auf Montag (ab 0.30 Uhr) mit seinen Panthers gegen Mannings Broncos, hat er sich früh endgültig etabliert.
Für seinen Gegenpart geht es am Super-Bowl-Sonntag um mehr: Gerüchteweise will Manning nach dem Endspiel zurücktreten. Geht er in seinem vierten Super Bowl zum dritten Mal als Verlierer vom Platz, wird er wohl als «Unvollendeter» in die NFL-Geschichte eingehen. Am Ende zählen im US-Sport nur die Titel. Und für einen Quarterback mit seinem Talent, der seit 1998 die Liga geprägt und Rekorde aufgestellt hat wie sonst kaum jemand, ist ein Super-Bowl-Ring (2006) zu wenig.
Für Manning spricht, dass er sich in dieser Saison neu erfunden hat. Vom alles bestimmenden Superstar hat er sich zum Mitläufer gewandelt: Das Prunkstück der Denver Broncos ist die Defense, die vor Wochenfrist Patriots-Quarterback Tom Brady rekordverdächtig oft gesackt hat. «Peyton 2.0», wie ihn das US-Magazin «Sports Illustrated» getauft hat, beschränkt sich darauf, keine Fehler zu machen.
Ob das reicht? Die Panthers sind Favorit. Und auf Manning kommt an ganz anderer Front Unheil zu: Die in einer TV-Dokumentation gegen den 39-Jährigen erhobenen Dopingvorwürfe haben die Liga dazu bewogen, eine Untersuchung einzuleiten – während die «Washington Post» drei Tage vor dem Spiel publik machte, dass Manning dem angeblichen Doping-Whistleblower private Ermittler auf den Leib gehetzt hat. (eg)