Der US-Präsident wirkt verwirrt. «Kann es sein, dass Roger Goodell in seinem ziemlich interessanten Statement über Frieden und Versöhnung angedeutet hat, dass es künftig okay ist, wenn Spieler während der Nationalhymne knien, nicht stehen, und damit unser Land und unsere Flagge nicht respektieren?», twitterte Donald Trump in der Nacht auf Montag.
Roger Goodell ist der Commissioner der National Football League und hat in diesen Tagen tatsächlich eine spektakuläre Kehrtwende hinter sich. Nachdem die NFL in den letzten Jahren für Anliegen wie soziale Gerechtigkeit und den Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA kaum Gehör gezeigt hat, ging der Liga-Chef am Freitag mit einer bemerkenswerten Video-Botschaft an die Öffentlichkeit.
«Wir, die National Football League, verurteilen Rassismus und die Unterdrückung schwarzer Menschen», sagte der Commissioner. «Wir geben zu, dass wir falsch lagen, dass wir unseren Spielern nicht früher zugehört haben und ermutigen alle, sich zu äussern und friedlich protestieren.»
Sogar die Worte «Black Lives Matter» («Schwarze Leben zählen»), den Slogan der Protestbewegung, der in konservativen Kreisen weiterhin als umstritten gilt, kam Goodell über die Lippen. «Wir glauben, dass schwarze Leben zählen. Ich protestiere persönlich mit euch und will Teil des Wandels sein, den dieses Land braucht. Ohne schwarze Spieler würde es keine NFL geben.»
Das Statement des Commissioners kommt vor dem Hintergrund der landesweiten Proteste nach der Tötung von George Floyd (†46). Dutzende NFL-Stars haben sich in den letzten Tagen bereits mit den Demonstranten im Land solidarisiert. Darunter auch grosse Nummern wie die Star-Quarterbacks Patrick Mahomes, Deshaun Watson und Aaron Rodgers.
Drew Brees, der noch letzte Woche erklärt hatte, er sei dagegen, dass Kollegen während der US-Hymne aus Protest niederknieten, hat mittlerweile einen Rückzieher gemacht. In einem Instagram-Post richtete er sich direkt an den US-Präsidenten. «An Donald Trump», schrieb er. «Nach Gesprächen mit Freunden, Teamkollegen und Anführern der schwarzen Community realisiere ich, dass es nicht um die Flagge geht. Das ist es nie gegangen. Wir können die Flagge nicht länger dafür benutzen, um von den echten Problemen abzulenken.»
Es klingt also tatsächlich danach, als ob US-Präsident Trump gerade eine Reihe von populären Verbündeten verlieren würde. Im Gegensatz zum Beispiel zur Basketball-Liga NBA, in der sich die Stars schon länger kritisch äusserten, zeigte sich die NFL in den letzten Jahren mindestens gespalten. Die mehrheitlich weissen Teambesitzer und die Liga-Chefs hatten sich im Zweifel auf die konservative Seite geschlagen. Das scheint sich nun zu ändern.
Dass in Sachen Wandel und dem Eingestehen von Fehlern auf NFL-Seite noch mehr geht, ist aber ebenfalls klar. Einen zählte Goodell nämlich in seinem Statement nicht auf: Colin Kaepernick. Der Quarterback, der den friedlichen Protest des Niederkniens während der Nationalhymne erfand, ist weiterhin ohne Job. Der Mann, der vor vier Jahren bereits tat, was Goodell und seine Kompagnons nun für sich entdeckt haben, fand in der Videobotschaft keine Erwähnung.