Und dann wirft ihm das Leben den nächsten Knüppel zwischen die Beine. Im Oktober 2018 trainiert Azeez Al-Shaair (22) mit dem Football-Team der Florida-Atlantic-Universität, als sein Knie nachgibt. Kein Gegnerkontakt. Einfach eine falsche Bewegung im falschen Moment. Kreuzbandriss. Saisonende. Und statt beim NFL-Draft im Frühjahr als eines der vielversprechendsten Talente bei einer Profimannschaft zu landen, rutscht er durchs Sieb.
Der nächste Rückschlag. Wieder die Geschichte einer Nachwuchshoffnung, die nie eine Chance bekommt, weil der Körper nicht mitspielt? «Ich habe Schlimmeres erlebt», sagt Al-Shaair. Und ob er das hat: Er verbringt einen grossen Teil seiner Jugend auf der Strasse. Obdachlos. Oft weiss er nicht, wo er schlafen, was er essen wird.
Seine Eltern lassen sich früh scheiden. Er zieht zur Oma. Als er 15 Jahre alt ist, brennt das Haus der Grossmutter ab. Ein neues Heim? Keine Chance.
Der Motelboden als Schlafplatz
Al-Shaair und seine sieben Geschwister ziehen weiter. Kurz darauf ist der Teenager einer von elf Bewohnern eines Motelzimmers. Er schläft auf dem Boden, fährt mit dem Bus zwei Stunden zur Schule, zwei Stunden zurück, jeden Tag.
Er schämt sich dafür so sehr, dass er sein Zuhause vor Klassenkameraden und Sportkollegen geheim hält. Raus kommt alles nur, weil er einem seiner High-School-Trainer über den Weg läuft, der in dem Motel zufällig arbeitet.
Am Ende ist der Sport Al-Shaairs Ticket in ein besseres Leben. An der High School sticht er heraus, an der Uni ist er ein Topverteidiger.
Und so geben ihm die San Francisco 49ers im Frühjahr einen Vertrag und die Aussenseiterchance, sich ins Team zu spielen. Kaum vom Kreuzbandriss genesen, nutzt er sie. Und wie! Am Wochenende wird bekannt, dass die Niners den etablierten Linebacker Malcom Smith freigeben – weil Al-Shaair ihm den Rang abgelaufen hat. «Er hat sich den Platz im Kader verdient», sagt Sportchef John Lynch. «Er hat richtig gute Football-Spieler ausgestochen. Das sagt schon aus, wie gut Azeez in unseren Augen gespielt hat.»
«Ich werde alles dafür tun, um in der NFL zu bleiben», sagt dieser. «Ich will nicht nur eine Wohlfühlgeschichte sein für die Leute.» Ein hehres Ziel. Aber ein bisschen kitschig wird es schon werden. Am Sonntag gab der 22-Jährige sein NFL-Debüt . Die 49ers gewannen auswärts in Tampa Bay. Dort, wo er einst jahrelang auf der Strasse lebte.