2020 feiert die Sporthilfe ihr 50-Jahre-Jubiläum
«Nur die hohle Hand machen geht nicht»

Dominique Gisin ist das Aushängeschild Schweizer Sporthilfe. Die Ski-Olympiasiegerin von 2014 sagt, welche Ziele sich die Stiftung auf die Fahne geschrieben hat.
Publiziert: 01.01.2020 um 20:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2020 um 11:39 Uhr
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Dominique Gisin ist das Aushängeschild Schweizer Sporthilfe.
Foto: Keystone
Mathias Germann

BLICK: Dominique Gisin, warum sind Sie nicht mehr CEO der Sporthilfe?
Dominique Gisin:
Von Beginn weg handelte es sich um ein Teilzeitpensum, welches wir möglichst effizient gestalten möchten. Schon bald war klar, dass ich vor allem in der Wirkung nach aussen und mit meiner Erfahrung als Athletin den grössten Mehrwert für die Stiftung Schweizer Sporthilfe generieren kann. Als Delegierte des Stiftungsrates ist das am Besten möglich und ich bin sehr glücklich mit dieser Konstellation.

Die operative Leitung der Stiftung Schweizer Sporthilfe hat im April 2019 Steve Schennach übernommen.
Genau. Er war langjähriger Geschäftsleiter von Ochsner Sport. Im März 20 kommt zudem Evelyn Fankhauser ins Team der Sporthilfe zurück (sie war vor 20 Jahren schon dabei, zuletzt langjährige Geschäftsführerin von Laureus Schweiz). Wir sind überzeugt, nun gemeinsam ein gutes Führungsteam für die Zukunft der Stiftung Schweizer Sporthilfe gebildet zu haben.

Haben Sie direkten Kontakt mit den Athleten?
Ja. Das ist auch wichtig, wenn wir unser System optimieren wollen.

Welche Fragen beschäftigen die jungen Sportler?
Ganz verschiedene. Zum Beispiel sagt jemand: «Ich habe meinen Kopfsponsor verloren. Könnt ihr helfen?» Die Sporthilfe versucht, immer menschlich zu sein, aber wir haben auch Leitplanken. Es ist ein so breites System mit Swiss Olympic und den Verbänden, ein Rädchen greift ins andere. Darum sind feine Anpassungen möglich, nicht aber verrückte Sachen. Die braucht es auch nicht. Wir wollen das Geld weiterhin gerecht verteilen.

2018 gab die Sporthilfe 8,71 Millionen Franken an 924 Athleten weiter. Wie sieht es 2019 aus?Die Zahlen kommen erst im neuen Jahr. Aber es sind sicher mehr Athleten, die unterstützt werden. Die Anzahl Sportarten, welche von Swiss Olympic anerkannt wird, wird auch tendenziell grösser, daher ist diese Entwicklung nachvollziehbar. Was ich heute schon sagen kann: Viele der Topleistungen im vergangenen Jahr wurden von Athletinnen und Athleten vollbracht, welche direkt finanziell von der Sporthilfe unterstützt werden. Natürlich würden wir gerne noch mehr Geld verteilen, es gibt immer harte Fälle, welche einem das Herz brechen.

Geht es nur ums Geld?
Nein. Es gibt auch andere Sorgen. Zum Beispiel mit Social Media, da fragen mich junge Sportler oft um Rat. Zudem geht es bei den jungen Sporttalenten oft auch um die Frage der Ausbildung, Sport und Beruf. Bei erfahrenen Athletinnen und Athleten aus Randsportarten geht es oft auch um die Vermittlung von passenden Arbeitsplätzen und Modellen neben dem Sport.

Haben Sie eine Mutter-Rolle?
Nein, das schon nicht (lacht). Wir reden immer von der Lebensschule Sport. Manchmal gibt es 10-Jährige, die eindrückliche Persönlichkeiten sind. Alle Athletinnen und Athleten, welche von uns unterstützt werden, schreiben jedes Jahr einen Bericht, wie sie das Geld eingesetzt haben. Da wird schnell klar, dass sie genau wissen, was sie erreichen wollen und wie sie das erreichen.

Also nicht einfach nur die hohle Hand machen.
Genau. Sie bekommen Infos, müssen aber den Antrag stellen, sich melden, uns auf dem Laufenden halten. Auch das gehört zur Lebensschule. Ich finde es gut, dass sie so selbstständig sind und sich für Unterstützung auch bemühen müssen. Die Stiftung Schweizer Sporthilfe ist ein bedarfsorientiertes System. Das bedeutet, dass die Athletinnen und Athleten alle Karten auf den Tisch legen, bzw. ihre Finanzen komplett offenlegen müssen. Ein Sportler, der eine gewisse Einnahmengrenze überschreitet, wird von der Sporthilfe nicht mehr unterstützt.

Es heisst, die Jungen würden heutzutage oft nur konsumieren wollen.
Ich empfinde es anders. Ich habe im Skisport viele Kolleginnen erlebt, die es nie in den Weltcup geschafft haben. Aber sie haben so viel gelernt aus dieser Zeit, so viel mitgenommen. Das ist auch ein Grund, warum wir die jungen Athletinnen und Athleten auf ihrem Weg fördern.

Aber es geht letztlich auch um Medaillen bei Grossanlässen, oder?
Klar, das ist ein wichtiges Ziel.

Darum wurde die Sporthilfe gegründet.
Bei den Olympischen Spielen in Innsbruck 1964 gab es für die Schweiz keine einzige Medaille. Diese Schmach war der Auslöser, man wollte etwas ändern.

In anderen Ländern greift der Staat ein und fördert die jungen Athleten. Wäre das nicht auch in der Schweiz wünschenswert?
Wir müssen nicht immer das tun, was die anderen machen. Unser Weg ist ein anderer, und das ist auch gut so. Es geht darum, dass die Schweizer Athletinnen und Athleten ein anständiges Leben führen können und nicht mit einem Jahreslohn von 14'000 Franken durchs Leben tingeln müssen. Deshalb ist die direkte Unterstützung der Athletinnen und Athleten auch wichtig, doch ich bin auch sehr stolz auf die unzähligen Freiwilligen, die wir hier in der Schweiz auf allen Stufen im Sport haben. Da wird so viel wertvolle Fronarbeit geleistet. Und auch die Entwicklung im Militär ist beispielhaft, wir haben immer mehr junge Sportler, welche in der Spitzensport-RS optimale Voraussetzungen finden.

50 Jahre Sporthilfe sind bald Geschichte. Wohin soll es in den nächsten 50 Jahren gehen?
Wir haben in den letzten bald 50 Jahren mehr als 18’000 Athletinnen und Athleten an die Spitze ihres Sports begleitet. Von Sepp Zellweger, Belinda Bencic, Nino Schurter bis Beat Feuz, viele waren dabei und haben auf ihrem Karriereweg von der Sporthilfe profitiert. Es geht in die richtige Richtung, wir setzen das Geld richtig ein. Wir sind im Grundsatz vom bestehenden Fördersystem der Schweiz überzeugt. Von der Sporthilfe werden hauptsächlich junge Talente auf dem Weg an die Spitze unterstützt, also zu dem Zeitpunkt der Karriere, wo der Aufwand gross, aber Sponsoren- und Preisgeldeinnahmen klein sind. Die zweite unterstützte Gruppe sind Sportlerinnen und Sportler aus Bereichen wie Rudern, Fechten, Curling und viele andere mehr, welche einen grossen Aufwand, aber kaum Aussicht auf Ertrag mit sich bringen.

Andere Länder richten aber immer mehr mit der grossen Kelle an, oder?
Zum Beispiel Deutschland und Österreich, mit staatlich subventionierten Arbeitsplätzen. Wir wollen die Sporthilfe und damit die ganz direkte Förderung von Sportlern noch viel breiter in der Schweiz abstützen. Wir wünschen uns, dass dieses einfache, klare und transparente System von der breiten Bevölkerung und einer breiten, werteorientierten Wirtschaft getragen wird. Dazu gründen wir 2020 zum 50 Jahr Jubiläum «den Schweizer Sportförderclub». Wir brauchen die Unterstützung der breiten Bevölkerung und Wirtschaft auch in Zukunft. Sie sind das Fundament der Schweiz, auch des Schweizer Sports und auch der Stiftung Schweizer Sporthilfe. Sie alle sind es, welche bei grossen Sportanlässen jubeln und wir alle sind doch stolz auf Erfolge im Sport. Die Sporthilfe hat seit vielen Jahren stagnierende ca. 20'000 Gönnerinnen und Gönnern, sowie ca. 50 Firmen, welche uns unterstützen. Wir wollen dies dynamisieren, modernisieren und viel breiter abstützen.

Sie bezeichneten einmal Norwegen als Vorbild. Dort ist der Sport tief in der DNA der Menschen verankert. Sind wir auf dem Weg dorthin?
In unserer Art und Weise schon, wir sind auf einem guten Weg. Es hat sich viel zum Positiven verändert. Als ich ein Kind war, gab es kaum Sportschulen. Heute sind diese sehr tief verankert. Die grossen Leistungszentren von Swiss Ski sind ein sehr gutes Beispiel dafür.

Es gibt also einen Wandel?
Davon bin ich überzeugt. Es gibt unzählige Studien, die belegen, dass sich Kinder zu wenig bewegen würden, nicht einmal einen Purzelbaum machen können. Das hat vielen die Augen geöffnet. Die Eltern animieren ihre Kinder wieder, Sport zu treiben. Das ist ein sehr gutes Zeichen.

Handys, Internet, Games: Haben Sie Angst, dass wir eines Tages kaum noch Sport treiben?Wo es einen Trend gibt, gibt es ganz oft auch einen Gegentrend. In meinem Empfinden geht die nächste Generation mit Social Media schon viel entspannter um. Heute machen viele bewusster Sport als früher, man weiss um den gesundheitlichen Nutzen. Ich kann nicht in die Glaskugel schauen, doch ich sehe überhaupt nicht schwarz.

Wie lange bleiben Sie noch bei der Sporthilfe?
Ich hoffe möglichst lange.

Für die nächsten 50 Jahre?
Es wäre schön, wenn ich so alt werden würde (lacht). Sicher ist, dass ich immer mindestens als Gönnerin treu bleiben werde.

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