Wüten gegen die Städte
Die SVP ist auf dem Kriegspfad

Die Partei läuft Sturm gegen Regierung und grosse Städte - und applaudiert dem Bundespräsidenten.
Publiziert: 24.10.2021 um 01:35 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2021 um 14:18 Uhr
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Kevin Grangier, Präsident der SVP Kanton Waadt, Nationalrat Michael Buffat, Bundespräsident Guy Parmelin, Parteichef Marco Chiesa am Samstag in Montricher.
Foto: keystone-sda.ch
Simon Marti

Lauthals poltern, aber freundlich mitregieren: An dieser zweigleisigen Strategie hält die grösste Partei im Land seit vielen Jahren fest – selten aber wurde dieser erfolgreiche Widerspruch zuletzt so greifbar wie gestern an der Delegiertenversammlung in Montricher VD.

Parteichef Marco Chiesa (47, TI) setzte den Ton und nutzte seine Rede für eine Generalabrechnung mit der Pandemiepolitik des Bundesrats. «Es herrscht Willkür in der Schweiz», schimpfte er. «Wer mit der Familie in den Zoo will, braucht ein Zertifikat, wer ins Bordell geht, braucht keines. Wo ist da die Logik?»

Der Bundesrat, bilanzierte der Tessiner, habe nicht Wort gehalten. Sonst wären die Massnahmen längst aufgehoben. Schliesslich seien inzwischen alle geimpft, die das wollen, so Chiesa zur Parteibasis, die in einem grossen, offenen Zelt beisammensass. Die «Fraue und Manne» der SVP frieren lieber, als Zertifikate kontrollieren zu lassen.

Martialische Rhetorik

Die Versammlung gipfelte in der Verabschiedung einer Resolution gegen die rot-grün regierten Städte, die «eine ernsthafte Diskussion über die Bildung von ländlichen Halbkantonen» verlangt. Auf ihrer italienischsprachigen Homepage fabulierte die SVP gar von einer «Kriegserklärung» an die ungeliebten Grosskommunen. Das Eskalationspotenzial der Rechtspartei scheint – zumindest verbal – unerschöpflich.

Mit Guy Parmelin (61) stand allerdings auch ein Mann mit Chiesa auf der Bühne, der für den laut geschmähten Kurs der Regierung mitverantwortlich ist und – man glaubt es kaum – sogar die linke Stadt Bern mag. Der Applaus war ihm dennoch sicher.

Kollegiale Zurückhaltung

Die einen poltern, der andere hält sich kollegial zurück, so profitiert die ganze Partei: Umfragen sehen die SVP im Vergleich zu den Wahlen vor zwei Jahren gestärkt. Und dass Parmelin an Statur gewonnen hat, gestehen ihm sogar erklärte Gegner wie Cédric Wermuth (35, AG) zu – selbst wenn sich der SP-Co-Präsident wünscht, Parmelin würde sich in der Corona-Politik unmissverständlicher vor die Entscheide der Regierung und deren Mitglieder stellen.

Auch Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (43, VS) stellt dem Waadtländer ein gutes Zeugnis aus: «Er macht seine Sache als Bundespräsident gut. Ich denke, das liegt an seiner Art, er ist ein konzilianter Typ und legt Wert auf die Kollegialität. Auf den teilweise radikalen Kurs der SVP hat das freilich keinen Einfluss.»

Und Aline Trede (38, BE), Fraktionspräsidentin der Grünen, hält fest: «Er will verbinden, das merkt man deutlich. Leider sieht es seine Partei anders: Die SVP spaltet, wo sie nur kann.» So punkten sie derzeit beide, Partei und Bundespräsident.


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