Diese Woche hat der Stahlproduzent Swiss Steel die Zahlen für das erste Halbjahr vorgelegt. Auf den ersten Blick sehen sie passabel aus, der Verlust beträgt 4 Millionen Euro. Doch auf den zweiten Blick sieht man, dass der Verlust nur so gering gehalten werden konnte, weil das Unternehmen sogenannte Einmaleffekte verbuchte. Dazu gehören ein Grundstücksverkauf in Deutschland und Einnahmen aus einem Versicherungsschaden. Diese haben das Ergebnis um 93 Millionen Euro verbessert. Anders ausgedrückt: Ohne diese Effekte hätte der Verlust fast 100 Millionen Euro betragen.
Die Halbjahreszahlen zeigen: Der Kriechgang des Innerschweizer Stahlkochers hat sich nach der Kapitalerhöhung im Frühjahr fortgesetzt. Damals entbrannte ein heftiger Machtkampf zwischen Amag-Erbe Martin Haefner (70) und Bahnunternehmer Peter Spuhler (65). Es war ein Kräftemessen zweier Milliardäre, aus dem der Sohn des legendären Autoimporteurs Walter Haefner als Sieger hervorging.
Haefner hatte einen grösseren Anteil an der Gesellschaft und konnte seinen Willen durchsetzen. Spuhler zog sich zurück und machte an der Kapitalerhöhung nicht mit. Seine Vertreter im Verwaltungsrat traten zurück. Haefner musste die Kapitalerhöhung allein stemmen. Er schoss 300 Millionen Franken in die Firma, um die Schuldenlast auf ein erträgliches Mass zu reduzieren. Es war die dritte Kapitalerhöhung innerhalb von vier Jahren.
Verpasste Chancen
Die Börsenbewertung schoss in der Folge auf eine halbe Milliarde Franken hoch. Doch seither geht es nur noch bergab: Aktuell notiert das Unternehmen bei 153 Millionen Franken – seit der Kapitalerhöhung im April wurden also 347 Millionen Franken vernichtet. Gemessen an der Entwicklung des Börsenkurses schätzt der Markt die Lage noch düsterer ein als im April. Die Krise im Stahlgeschäft schlägt voll durch. Die Absatzmengen sind gegenüber der Vorjahresperiode um fast 17 Prozent eingebrochen, die Auftragseingänge sind ebenfalls rückläufig.
Swiss Steel produziert hochlegierte Stähle, die zum Beispiel in der Automobilindustrie gefragt sind. Doch die deutsche Autoindustrie krankt. Sie liegt immer noch unter dem Vorkrisenniveau von 2019. Die Nachfrage nach Spezialstählen für Differenzialgetriebe, Antriebswellen oder Druckformen für Kunststoffteile ist seit Jahren rückläufig. Das Management habe es versäumt, neue Absatzmärkte zu erschliessen, sagt ein Kenner. Er nennt die boomende Rüstungsindustrie, die viel Edelstahl braucht, wie ihn Swiss Steel produziert.
Die Verantwortung für diesen katastrophalen Kurs trägt Jens Alder, der ehemalige Swisscom-Chef und Multi-Verwaltungsrat. Er gilt als Vertrauter von Martin Haefner, da er einige Jahre im Verwaltungsrat des US-Computerriesen CA sass, an dem Haefners Vater massgeblich beteiligt war. Doch vom Stahlgeschäft hat Alder keine Ahnung – wie auch Martin Haefner nicht, der bis zu seinem 60. Lebensjahr an einem Gymnasium Mathematik unterrichtete.
Deshalb holte der reiche Erbe Peter Spuhler als Investor an Bord, der Industrieerfahrung hat und weiss, wie man Firmen saniert. Als sich die Lage bei Swiss Steel im letzten Herbst zuspitzte, drängte Spuhler auf einen harten Sanierungsplan und forderte die Absetzung von Jens Alder als Verwaltungsratspräsident. Weil sich Haefner dagegen wehrte, kam es im Frühling zum Bruch.
Der Bruch ist endgültig
Dieser Bruch sei endgültig, ist aus Spuhlers Umfeld zu hören. Eine Rückkehr des Industriellen zum angeschlagenen Stahlkonzern sei kein Thema. Allerdings ist Spuhler nach wie vor mit 10 Prozent am Stahlkocher beteiligt. Um den eingebrochenen Aktienkurs muss er sich keine Sorgen machen. Denn Peter Spuhlers Family Office, die PCS Holding, besitzt eine Verkaufsoption auf das Aktienpaket.
Diese sogenannte Put-Option gibt Spuhler das Recht, ab Mai 2025 bis Ende April 2029 die gesamte Beteiligung an Haefner zu veräussern. Wie damals vereinbart, beträgt der Ausübungspreis 10 Rappen pro Aktie. Nach einer später beschlossenen Aktienzusammenlegung im Verhältnis 200:1 beträgt der neue Preis pro Aktie somit 20 Franken. Das gleiche Verkaufsrecht hat auch der russische Milliardär Viktor Vekselberg (67), dessen Liwet Holding 12,8 Prozent an Swiss Steel hält.
Allerdings handeln die Swiss-Steel-Papiere aktuell bei fünf Franken – oder bei 2,5 Rappen nach alter Rechnung. Ein 10-Prozent-Anteil an Swiss Steel kostet derzeit 15,3 Millionen Franken. Martin Haefner muss dafür aber mindestens 55 Millionen Franken an die PCS Holding bezahlen. Für das Paket von Viktor Vekselberg sind es 66 Millionen. Bleibt der Aktienkurs, wo er ist, legt Haefner für die Put-Optionen 90 Millionen drauf.
Trotz der schweren finanziellen Bürde bleibt der Amag-Erbe dem Unternehmen fest verbunden. Er sagt zu seiner Beteiligung: «Selbstverständlich glaube ich weiterhin an die Zukunft von Swiss Steel.» Deshalb orientiere er sich in der Beurteilung der aktuellen Situation auch nicht am «zurzeit wenig aussagekräftigen Aktienkurs, sondern am langfristigen Potenzial des Unternehmens». Peter Spuhler war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.