Ich war diese Woche in Berlin und fliege gleich weiter nach Südfrankreich. Ja, es war auch Fashion Week, sofern man das überhaupt noch so nennen kann, denn auf jeder Baumaschinenmesse ist mehr Fashion zu sehen als hier in Berlin. Davon betroffen sind die mickrigen verbliebenen Modelabels (Ausnahme Marc Cain, die halten tapfer durch) wie auch das Publikum. Das ist so, auch wenn es die Organisatoren nicht gerne hören.
Abgesehen davon, dass mein Lieblingslabel Rena Lange aufgegeben hat und sich viele keine teuren Shows mehr leisten können – und stattdessen nur noch Präsentationen machen –, bleibt auch die A-Liga der Modeleute weg. Gemeinerweise waren parallel zur Fashion Week die Haute-Couture-Schauen in Paris. Von dort fliegen alle weiter nach Rom, wo Valentino und andere Couturiers ihre Entwürfe zeigen. Und Sie wissen ja, wie es läuft: Bietet uns das Normale nichts mehr oder erreicht es wie bei uns in Deutschland ein unakzeptabel tiefes Niveau, gewinnt die schmale Elite an Bedeutung. Das ist beim Essen so – herkömmliche Nahrungslieferanten kommen erst gar nicht mehr in Frage, weil ihre Qualität so schlecht ist – und nun auch in der Mode und in Stilfragen. Deswegen hat die Speerspitze der Mode, die Haute Couture, so sehr an Bedeutung gewonnen. Eine der wichtigsten deutschen Chefredaktorinnen sagte: «In Berlin kann man sich ja gar nicht mehr blicken lassen, wie sieht das denn aus, wenn man nicht an der Couture sitzt ...»
Nun fragen Sie sich sicher, warum ich denn in Berlin war, wenn es dort nichts zu holen gab. Nun, ich war nicht in Berlin, um Fashion zu sehen oder Trends zu erspüren – mich interessierte das Deutschsein. Berlin ist der einzige Ort, an dem ich dieses noch spüre. Denn abgesehen davon, dass er natürlich der Nabel des Landes ist, bietet die Stadt eine Fülle von deutscher Lebendigkeit, die ich nur noch dort erleben kann.
München ist dumpf und altbacken, die Menschen sind 1989 stehengeblieben. Sie haben ihren Glanz, den Stil und den Anspruch darauf verloren. Bin ich dort, will ich nur meine Arbeit erledigen und die restliche Zeit an die Wand starren und schnell wieder weg. Hamburg ist zwar hübsch, und ich würde es viel mehr lieben, würde es dort nicht immer regnen. Das wars dann aber auch. Die deutsche Provinz lässt sich nicht mit dem Schweizer Umland vergleichen, sie ist grauenvoll.
In Berlin aber gibt es Überfluss, obwohl keiner Geld hat. Alles, was man möchte: das beste Essen das beste Shopping, die besten Partys. Und die coolsten und schlausten Leute in einer riesengrossen Stadt. Wenn man hierherkommt, denkt man, Deutschland ist cool und schlau, und man ist einer davon. Der Mensch braucht eine Identität, deswegen muss ich von Zeit zu Zeit hierher.