Vergangene Woche besuchte mich meine Schwester in Zürich. Sie wissen schon: Miss Violet mit den Kochbüchern. Wir verabredeten uns mit Freundin B. zum Dinner beim Libanesen, im Cèdre. Ich liebe das Essen und die Stimmung im Cèdre, denn jedes Mal, wenn ich dort bin, ist eine Bombenstimmung, und die Frauen tanzen zur Unterstützung der Bauchtänzerin auf den Tischen – das wollte ich meiner Schwester zeigen. Aber an diesem verregneten Dienstag war im Cèdre nichts los. Es sassen wenige, langweilige Menschen an den Tischen, niemand sah cool, sympathisch oder gar sexy aus. Sie werden gleich wissen, warum ich das erzähle. Es gab keine Musik und keinen Tanz, aber wir hatten trotzdem unseren Spass.
Freundin B. erzählte uns von ihrer bevorstehenden Hochzeit im nächsten Jahr. Und dass alle ihre Freundinnen jetzt heiraten würden, denn sie seien bald dreissig, und auch bei ihr sei es knapp geworden. Wir waren erstaunt, dass die Zahl 30 bei einem so hübschen Mädchen solche Panik auslösen kann, und fragten B., ob man in der Schweiz denn ab dreissig schon als schwer vermittelbar gelte. B. druckste herum. Dann sagte sie: «Ja, schon. Wenn man heiraten will, muss man sich drum kümmern, bevor man 29 ist.»
Deswegen ist bei B. Hochzeits-Boom. Sie reist bald als Trauzeugin, als Brautjungfer oder als Freundin der Braut nach Paris, Beirut, Tel Aviv und Forte dei Marmi. Mir fiel ein, dass ich bislang nur auf zwei Hochzeiten in Deutschland eingeladen war, jedes Mal bei der älteren Schwester meines jeweiligen Boyfriends. Ich hatte mich beide Male besser amüsiert als alle anderen zusammen. Ich kenne viele Leute, die geheiratet haben. Aber ich war nie eingeladen, und die Ehen sind auch alle schon wieder geschieden.
Was aber in Deutschland anders ist: Die 30er-Grenze mit Heiratsdruck gibt es nicht. Die Idee zu heiraten kommt mit dem passenden Partner, aber nicht als Lebensziel vorher. Und: Die Frauen werden da alle erst mit Ende dreissig panisch und versuchen um jeden Preis, noch eine Familie zu gründen. Aber Männer Ende dreissig hassen diese Frauen mit ihrer tickenden Hormon-Uhr und nehmen sich vor ihnen in Acht. Auch bei ihnen geht es darum, was man fast verpasst hätte, und nicht um die Hochzeit. Frauen Ende zwanzig dagegen sind beliebt bei deutschen Männern. Die jungen Dinger wollen weder Kind noch Kegel. Deswegen sind deutsche Enddreissigerinnen unglaublich schlecht gelaunt.
In dem Moment brachte uns der Kellner im Cèdre einen Teller mit libanesischen Süssigkeiten und einen Zettel. Darauf stand: «Lust auf einen Cafe? Würde mich freuen, Daniel». Dahinter seine Natel-Nummer. Wer also noch schnell heiraten möchte: Daniel wartet auf Ihren Anruf!
Schweizerinnen geraten zehn Jahre früher in Hochzeitspanik als deutsche Frauen.
Wäis Kiani, Schriftstellerin und Stil-Liebhaberin, schreibt jeden Sonntag über ihre Beobachtungen im Alltag.