Rund 60'000 ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz
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S-Status in der Kritik:Rund 60'000 ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz

Steigende Kosten, Kritik an Umsetzung, hohe Asylzahlen
Parlament nimmt Schutzstatus S unter die Lupe

Die Geschäftsprüfer des Nationalrats nehmen das Schweizer Flüchtlingsregime unter die Lupe. Das System funktioniere, teilen die Asylbehörden mit.
Publiziert: 30.10.2022 um 12:24 Uhr
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Migrantenlager in Zypern: Die Menschenströme nehmen zu.
Foto: AFP
Reza Rafi

Wie lange hält die Solidarität? Vor sieben Monaten begann der Ukraine-Krieg, seitdem suchen Menschen aus dem Land Zuflucht in der Schweiz. Christine Schraner Burgener (59), Chefin des Staatssekretariats für Migration, schlägt dramatische Töne an. «Wir sind in der grössten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg», sagte sie am Samstag im Blick.

Sie schliesst nicht aus, dass bis Ende Jahr «80 000 bis 120 000 Schutzsuchende» aus der Ukraine bei uns sein werden. Dazu kommen Asylsuchende aus anderen Krisenregionen, im Oktober steigt diese Zahl um weitere 3000.

Kurz nach Kriegsbeginn liess Asylministerin Karin Keller-Sutter (58) rasch und unbürokratisch den Schutzstatus S aktivieren, der den Ukrainerinnen und Ukrainern den sonst üblichen Spiessrutenlauf eines Asylverfahrens erspart.

SUVs mit ukrainischem Nummernschild

Doch mit der russischen Aggression nahm der Ansturm zu, und damit die Kosten für den Staat. Von drei Monaten gingen viele Schweizer Gastfamilien zunächst aus, aber die Realität entpuppte sich als viel bitterer, der Krieg dauert bis heute an. Im September musste die Landesregierung beim Parlament einen Nachtragskredit von 1,2 Milliarden Franken für das Asylwesen beantragen.

Womit auch der politische Druck auf die herrschende Praxis kontinuierlich steigt. So häufen sich Berichte über Vollzugsprobleme; in den Gemeinden und Kantonen wird das Giesskannenprinzip kritisiert, das soziale Leistungen für finanziell Begüterte ermöglicht.

In Internetforen kursieren Bilder von ultrateuren Sportwagen und SUVs mit ukrainischem Nummernschild und der nachgereichten Frage, ob die Allgemeinheit auch solchen Flüchtlingen Prämien und Sprachkurs zahlen sollte. In der letzten Session erfolgte aus den Reihen der SVP sogar der Versuch, den SchutzstatusS abzuschaffen, was aber krachend scheiterte.

Sind Syrer nicht auch Opfer von Putin?

Aus dem linken Lager wird die Ungleichbehandlung zwischen Asylsuchenden verschiedener Herkunft moniert. Wieso wird der afghanischen Familie verweigert, was ihre ukrainischen Nachbarn erhalten? Und sind Syrer aufgrund des Flächenbombardements ihres Landes durch russische Su-34-Kampfjets nicht auch Opfer Wladimir Putins?

All diese Fragen erreichen nun das Bundesparlament. Die Geschäftsprüfer des Nationalrats haben sich eine Untersuchung des heutigen Asylregimes vorgenommen – demnach will die fürs Justizdepartement zuständige Subkommission der GPK die Asylbehörden des Bundes vorladen.

Der Subkommissionspräsident, der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer (61), bestätigt die Informationen von SonntagsBlick: «Wir werden uns am Montag über die besorgniserregende Entwicklung der Asylzahlen, welche schon lange abzusehen waren, und der damit einhergehenden Schwierigkeiten durch die Staatssekretärin des SEM informieren lassen», sagt er auf Anfrage. Man werde ausserdem, so Heer weiter, «nachfragen, mit welchen Massnahmen der Bundesrat dieser Herausforderung begegnet. Es herrscht ein Notstand und die Kosten explodieren.»

Sozialhilfe ist grösster Kostenfaktor

Beim Staatssekretariat für Migration (SEM) betont ein Sprecher auf Anfrage, dass man «den Aufnahmeprozess, die Unterbringung und Betreuung sowie die Koordination und Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden angesichts der historischen Herausforderung als etabliert und funktionierend» bezeichnen könne.

Den grössten Teil der zusätzlichen Aufwände machen laut SEM die Sozialhilfekosten aus, die pro Person mit Schutzstatus S 1557 Franken pro Monat betragen. Weitere Mittel schlucken die Integrationsmassnahmen, die mit 250 Franken pro Monat und Person zu Buche schlagen, sowie die Verwaltungskosten in der Höhe von 552 Franken pro Gesuch. Aufgrund der hohen Zahlen würden zudem im regulären Asylbereich zusätzliche Mehrkosten von rund 72 Millionen Franken veranschlagt.

Wann die GPK ihren Bericht abschliessen wird, ist offen. Parallel zu den Geschäftsprüfern arbeitet die von Bundesrätin Keller-Sutter selber ins Leben gerufene Evaluationsgruppe Schutzstatus S ebenfalls unter Hochdruck.

Was beide Gremien nicht wissen: Wie lange dieser Krieg in der Ukraine dauern wird.

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