Spätfolgen vermeiden
Kopf am Anschlag

Sie ist eine häufig unterschätzte Verletzung: die Gehirnerschütterung. Nicht erkannt oder falsch behandelt kann sie zu langwierigen Spätfolgen führen.
Publiziert: 01.11.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:04 Uhr
Wenn der Spass im Schnee mit einem Sturz endet, drohen Kopfverletzungen.
Foto: iStock
Von Thomas Vogel

Die 45-jährige englische Schauspielerin Natasha Richardson, Ehefrau von Liam Neeson und Tochter von Vanessa Redgrave, übt in den kanadischen Bergen zusammen mit einem Skilehrer auf einer Piste für Anfänger. Dabei stürzt sie.

Obwohl ohne Helm unterwegs, fehlt ihr auf den ersten Blick nichts. Sie lacht, witzelt und geht auf ihr Hotelzimmer, um sich auszuruhen. Von dort aus ruft sie ihren Mann an, um ihm zu sagen, das sie im Schnee hingefallen sei. Das ist das letzte Mal, dass Liam Neeson mit seiner Frau spricht.

Drei Stunden später wird sie mit starken Kopfschmerzen ins Spital eingeliefert, kurz darauf auf die Intensivstation verlegt. Zwei Tage später, am 18. März 2009, ist sie tot – gestorben an einer Hirnblutung, ausgelöst durch ihren auf den ersten Blick harmlosen Sturz auf den Kopf.

Ein extremer Fall, aber kein Einzelfall: Jährlich verunfallen in der Schweiz gegen 100 000 Menschen bei Wintersportarten wie Eishockey, Skifahren, Snowboarden, Langlaufen oder Schlitteln. Die meisten Unfälle ereignen sich beim Skifahren mit rund 45 000 Betroffenen und beim Snowboarden mit etwa 24 000 Opfern. 14 bis 16 Prozent haben Hirnerschütterungen.

Der Fall Richardson ist ein klassischer Fall. «Hirnverletzungen wie eben Gehirnerschütterungen werden oft unterschätzt», sagt Professor Dr. Aristomenis Exadaktylos, Direktor und Chefarzt des Universitären Notfallzentrums am Inselspital Bern. Mediziner sprechen denn auch nicht von Gehirnerschütterung, sondern von einem Schädel-Hirn-Trauma. Das drückt besser aus, um was es dabei geht: um eine ernst zu nehmende Verletzung im Innern des Kopfs.

Der Filmriss ist kein sicheres Erkennungsmerkmal

Wird die Gehirnerschütterung nicht richtig erkannt oder falsch behandelt, können Spätfolgen wie Kopfschmerzen depressive Verstimmungen, Konzentrationsstörungen, Schlafprobleme, Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- oder Bewegungsstörungen auftreten. «Meine eigenen Forschungen haben gezeigt, dass bis zu rund zehn Prozent der Betroffenen Langzeitschäden aufweisen können», sagt Aristomenis Exadaktylos.

Denn: Sogar ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma führt zu Störungen des Hirnstoffwechsels und zu Mikro-Blutungen und Durchblutungsstörungen. Die Folge ist eine Beeinträchtigung der Kurz- und Langzeitfunktionstüchtigkeit unserer Hirnzellen.

Deshalb ist es sehr wichtig, auch ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma rasch zu erkennen. Die häufigsten Symptome einer Gehirnerschütterung sind Kopfschmerzen, Gedächtnislücken, Sprachstörungen, Schwindel, Übelkeit, Gangschwäche, Müdigkeit oder verschwommenes Sehen.

Die Erholung braucht meist etwa eine Woche

«Eine Bewusstlosigkeit ist dazu nicht unbedingt nötig – auch wenn das viele Leute glauben», sagt Professor Dr. Joseph Osterwalder, Chefarzt der Zentralen Notfallaufnahme am Kantonspital St. Gallen . Selbst der Filmriss ist kein sicheres Erkennungsmerkmal: Nur zehn bis dreissig Prozent der Betroffenen leiden an einem akuten Erinnerungsverlust bezüglich des Unfalls.

«Aus diesen Gründen», sagt Aristomenis Exadaktylos, «gibt es kein grundsätzliches Schema bei der Behandlung einer Gehirnerschütterung.» Vielmehr gilt es, die Behandlung auf den einzelnen Fall anzupassen. Exadaktylos: «So würden wir zum Beispiel einen älteren Patienten, der keine Betreuungsperson zu Hause hat, für einen Tag zur Beobachtung in der Klinik behalten.»

Die Erholungsphase von einem milden Schädel-Hirn-Trauma dauert in der Regel etwa eine Woche. Wer nach gewisser Zeit noch Probleme hat, sollte mit seinem Hausarzt darüber sprechen, ob ein Neurologe oder andere Spezialisten weiterhelfen können. Für Exadaktylos ist klar: «Meiner Frau oder meinen Kindern würde ich empfehlen, nach einem solchen Vorfall zur Abklärung zu einem Arzt oder ins Spital zu gehen.»

Nach einer Erschütterung sind die Hirnzellen während mehrerer Tage empfänglich für weitere Schädigungen. Das bedeutet: keine Kontaktsportarten. Kommt es nämlich in der Heilungsphase zu einer erneuten starken Hirnerschütterung, kann das zum sogenannten «Second Impact Syndrom» führen, das für bereits Geschädigte massive Auswirkungen hat.

Es können Blutungen oder Hirnschwellungen entstehen, die irreparable Folgeschäden haben und sogar zum Tod führen können – wie bei der Schauspielerin Natasha Richardson.

Einfache Tests zeigen Symptome eines Schädel-Hirn-Traumas auf

Orientierung
Weiss der Betroffene, wo er ist, wie spät und was für ein Tag es ist?

Konzentration

Überprüfung durch Rückwärtsaufsagen von drei bis sechs Zahlenreihen und der Monate.

Gedächtnis

Kann er sich an Details der letzten paar Minuten erinnern?

Befinden

Den Verunfallten nach Bewusstseinsstörungen, Gefühls- und Koordinationsstörungen befragen.

Belastungsfähigkeit

Kurze Tests in Form von Sprints oder Kniebeugen. Dabei auf Begleitsymptome wie Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen und Übelkeit achten.

Bestehen Zweifel an der Diagnose oder am Ausmass der Gehirnerschütterung, sollte der Betroffene unbedingt einen Arzt konsultieren.

Mehr Infos: http://www.suva.ch/lthv-informationsblatt.pdf

Orientierung
Weiss der Betroffene, wo er ist, wie spät und was für ein Tag es ist?

Konzentration

Überprüfung durch Rückwärtsaufsagen von drei bis sechs Zahlenreihen und der Monate.

Gedächtnis

Kann er sich an Details der letzten paar Minuten erinnern?

Befinden

Den Verunfallten nach Bewusstseinsstörungen, Gefühls- und Koordinationsstörungen befragen.

Belastungsfähigkeit

Kurze Tests in Form von Sprints oder Kniebeugen. Dabei auf Begleitsymptome wie Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen und Übelkeit achten.

Bestehen Zweifel an der Diagnose oder am Ausmass der Gehirnerschütterung, sollte der Betroffene unbedingt einen Arzt konsultieren.

Mehr Infos: http://www.suva.ch/lthv-informationsblatt.pdf

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