Der Kollaps der Credit Suisse würde viel Stoff für eine spannungsgeladene Netflixserie hergeben. Darin käme der Buchprüfungsfirma PWC der Part einer sinistren Nebendarstellerin zu.
Als externe Revisionsstelle erteilte sie der Grossbank kurz vor dem Zusammenbruch das sogenannte «going Concern» – das heisst: PWC sah es als gegeben an, dass die Fortführbarkeit der Geschäfte bei der CS gegeben ist. Grünes Licht gab die Buchprüferin konkret mit der Publikation des Jahresberichts beziehungsweise des darin enthaltenen Testats, das von Matthew Falconer (47), dem Global Lead Partner von PWC und verantwortlichen Buchprüfer der CS, sowie von einem weiteren PWC-Experten unterschrieben wurde.
PWC – oder PricewaterhouseCoopers – gehört mit Deloitte, EY und KPMG zu den sogenannten Big Four, den vier grössten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt. PWC hat ihren Sitz in London und zählt weltweit 328’000 Mitarbeitende. In der Schweiz operiert die Gesellschaft von Zürich-Oerlikon aus.
Auf Seite 4 im Audit-Report von PWC heisst es: «Our conclusions are based on the audit evidence obtained up to the date of our auditor’s report.» Übersetzt auf Buchhalterdeutsch: «Unsere Schlussfolgerungen beruhen auf den bis zum Datum unseres Bestätigungsvermerks erlangten Prüfungsnachweisen.»
Brisant ist das Datum, an dem die beiden Experten den Audit-Report unterschrieben haben. Es ist der Dienstag, 14. März. Nur einen Tag später, am Mittwochnachmittag, kam es zu einem ersten Treffen zur schwierigen Lage der Credit Suisse zwischen Vertretern der Schweizer Regierung, der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Finma mit Colm Kelleher (65), dem Präsidenten der UBS.
Das geht aus einem diese Woche veröffentlichten Dokument der UBS zuhanden der US-Börsenaufsicht hervor. An diesem Treffen wurde vereinbart, dass bis zum «Ende des Wochenendes entschiedene Massnahmen» in Bezug auf die Credit Suisse ergriffen werden müssen.
Am Mittwochabend gaben zudem die SNB und die Finma in einer gemeinsamen Erklärung bekannt, dass die SNB der CS im «Bedarfsfall» Liquidität zur Verfügung stellen werde. In der Nacht auf Donnerstag war es dann bereits so weit: Um 01.49 Uhr verschickte die Bank eine Mitteilung, wonach sie beabsichtige, bis zu 50 Milliarden Franken Notliquidität von der Nationalbank zu beziehen.
«PWC hätte das Testat verweigern müssen»
Und am 14. März war gemäss PWC also noch alles in bester Ordnung. Die Schweizer Governance-Expertin Monika Roth (72) kann das gar nicht glauben. «PWC musste am 14. März gesehen haben, dass die Bank nicht mehr zu retten war», sagt sie. Sie hätte das Testat verweigern oder mit der Niederlegung des Mandats drohen müssen, sagt sie. Dass sie das Testat dennoch gegeben hat, ist für Monika Roth ein starkes Indiz, dass es «zwischen der PWC und Finma einen Austausch gegeben hat».
Interessant ist auch, dass die Finma in der gemeinsamen Erklärung mit der SNB bestätigt hat, dass die «Credit Suisse die für systemrelevante Banken besonderen Anforderungen an Kapital und Liquidität erfüllt».
Diese Erklärungen – der Finma und das Testat der PWC – hatten de facto keinen Wert. Sie sind etwa so aussagekräftig wie die Feststellung, dass bei einem Auto, das mit Vollgas auf einen Betonpfeiler zudonnert, die Bremsen weiterhin intakt sind und der Tank gefüllt ist und es genügend Scheibenwischwasser hat. Das stimmt zwar alles, aber kurz darauf ist das Auto trotzdem völlig zerstört und die Insassen mutmasslich alle tot.
Grosse Abhängigkeiten
«Es erstaunt mich aber auch nicht, dass PWC kurz vor dem Kollaps das Testat gegeben hat», sagt die Basler Governance-Spezialistin. Es zeige, dass zwischen der externen Revision und einer Grossbank «grosse Abhängigkeiten» bestehen. «Das Auftragsvolumen umfasst Dutzende Millionen Franken. Das setzt den falschen Anreiz, den Kunden mit Samthandschuhen anzufassen. Das nennt man schlicht Interessenkonflikt», sagt Roth. Fürs Jahr 2022 erhielt PWC gemäss Geschäftsbericht 78 Millionen Franken für Prüfdienstleistungen.
Wenn es um so viel Geld geht, ist nachvollziehbar, wenn Buchprüfer unterschiedliche Ellen anlegen. «Dass grosse Buchprüfungsgesellschaften durchaus selbstbewusst auftreten können, sieht man bei kleineren, weniger lukrativen Mandaten. Da scheuen sie sich nicht, beim Verwaltungsrat hartnäckig nachzubohren», sagt Roth. Sie setzt sich dafür ein, dass es zu einem Systemwechsel kommt: «Nicht die Bank selbst sollte den Buchprüfer engagieren, sondern die Finma.»
Ob PWC etwas falsch gemacht hat, ist schwer festzustellen. Die Rolle der Revisionsstelle könnten eigentlich nur die geschädigten Aktionäre prüfen, etwa mittels Sonderuntersuchung, sagt der Berner Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz (58). «Doch wenn es in Zukunft keine Generalversammlung der CS mehr gibt, was wahrscheinlich ist, wird insofern auch nichts passieren können.»
Kunz sagt, dass gemäss Obligationenrecht auch eine Revisionshaftungsklage «zwar denkbar» wäre. Doch hätte eine solche Klage kaum eine realistische Chance auf Erfolg, glaubt er. «Im Allgemeinen werden aber die Prüfkompetenzen und Prüfpflichten von Revisionsstellen etwas überschätzt.»
*Der Journalist Beat Schmid (54) schreibt im SonntagsBlick über Finanzthemen. Er ist Herausgeber des Onlinemediums tippinpoint.ch