Reporter Fabian Eberhard über das Attentat von El Paso
Das Gesicht des Terrors ist weiss

Fabian Eberhard ist Extremismus-Experte beim Sonntagsblick. Für ihn ist klar: Politiker sowie Geheimdienstler in den USA müssen ihren Fokus bei der Terrorbekämpfung neu ausrichten. Die Gefahr vom rechten Rand wird systematisch unterschätzt. Eine Analyse.
Publiziert: 11.08.2019 um 10:58 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2024 um 09:12 Uhr
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Beobachtet die rechtsextreme Szene seit Jahren: Fabian Eberhard, Reporter beim SonntagsBlick
Foto: Thomas Meier
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Fabian EberhardStv. Chefredaktor SonntagsBlick

Was sehen Sie, wenn Sie an einen Terroristen denken? Diese Frage stellte das US-Magazin «Time» am Donnerstag seiner Leserschaft. Fünf Tage nach dem rechtsextremen Attentat von El Paso mit 22 Toten. Die Antwort gab das Magazin gleich selbst: einen islamistischen Dschihadisten.

Das ist verständlich, haben sich die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 doch tief ins Bewusstsein der Amerikaner eingebrannt. Und der Islamische Staat (IS) bezeichnet die USA nach wie vor als einen seiner Hauptfeinde.

Und doch ist die Vorstellung überholt. Nicht erst seit dem Terroranschlag von El Paso. Die grösste Bedrohung der USA kommt heute von innen. Von «White Supremacists», weissen Rechtsextremen.

Dass sich das Gesicht des Terrors in den Köpfen der Amerikaner nur langsam der Realität anpasst, ist menschlich. Problematisch wird es dann, wenn diejenigen nicht rechtzeitig umdenken, die die Gefahr an der Front bekämpfen sollten: Politiker und Geheimdienstler.

Noch immer sind die US-Sicherheitsbehörden einseitig auf Islamisten ausgerichtet. Laut FBI werden lediglich 20 Prozent der Ressourcen gegen den hausgemachten Terror eingesetzt. Noch vor wenigen Jahren erklärte das FBI sogenannte Öko-Terroristen zur Bedrohung Nummer eins hinsichtlich politischer Gewalt im Inland.

Dabei ist die Faktenlage deutlich: Seit dem 11. September haben Rechtsextreme in den USA mehr als dreimal so viele Attacken ausgeübt wie Islamisten. Im Zeitraum von 2009 bis 2018 waren White Supremacists für 73 Prozent aller Toten infolge extremistischer Anschläge verantwortlich. Und die Opferzahlen steigen. Allein 2018 wurden in den USA mindestens 50 Menschen von Rechtsextremen ermordet – so viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr. 2019 dürfte erneut ein Rekordjahr werden.

Dass die US-Sicherheitsbehörden angesichts dieser Entwicklung ihren Fokus nicht längst neu justiert haben, ist unverständlich. Und tödlich. Zumal Experten seit Jahren vor der wachsenden Gefahr warnen, die von weissen Rassisten ausgeht. Die US-Politik hat die Appelle fast schon systematisch ignoriert und Versuche von Beratern, die Terrorbekämpfung neu auszurichten, im Keim erstickt.

Spätestens das fremdenfeindliche Attentat von El Paso müsste sowohl die Sicherheitsbehörden als auch die etablierte Politik zum Umdenken zwingen. Doch die Hoffnung darauf bleibt überschaubar, steht an der Staatsspitze doch ein Mann, der den Hass rechter Nationalisten mit seiner Rhetorik befeuert und legitimiert: Donald Trump. Er hat erst vor wenigen Wochen eine ganz andere Gefahr ausgemacht: die Antifa-Bewegung. Das seien «kranke, schlimme» Menschen. Er erwäge, sie neu als Terroristen einzustufen.

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