Nicht nur dank «Mamma Mia 2»
Das Abba-Fieber ist wieder ausgebrochen

Rekorde, Comeback, Euphorie: Abba sind nicht nur dank «Mamma Mia 2» superpräsent. Auch die Tinder-Generation hat die Schweden für sich entdeckt.
Publiziert: 19.07.2018 um 18:40 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2023 um 16:53 Uhr
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«Mammia Mia!» wird jung: Lilly James (l.) und Josh Dylan schwofen zu Abba-Hits.
Foto: ddp images/Capital Pictures
Lukas Rüttimann

Fast könnte man meinen, es sei 1978. Im Schweizer Fernsehen sorgen Roman Kilchsperger und Reto Scherrer als Abba-Klone mit Trompetenhosen und Langhaarperücken für gute Laune im «Donnschtig-Jass». In Thun singt sich ab dieser Woche Fabienne Louves in der Open-Air-Version des Musicals «Mamma Mia!» durch die grössten Abba-Hits. Und in London sprechen die beiden Bandgründer Benny Andersson und Björn Ulvaeus in diesen Tagen vor der Weltpresse über neue Songs, neue Motivation und neu gefundene Harmonie.

Das Abba-Fieber wird bald noch mehr steigen. Mit «Mamma Mia! Here We Go Again» wird die Fortsetzung des Kinofilms «Mamma Mia!» ab Donnerstag erneut für Begeisterung bei Abba-Fans sorgen. Zehn Jahre nachdem der erste Film weltweit über 600 Millionen Dollar eingespielt hat, wird die Handlung weitergeführt. Respektive: Sie wird zurückgedreht.

Denn der neue Film widmet sich der Vorgeschichte des bunten Liebeskarussels mit den drei potenziellen Vätern. «Mamma Mia 2» beleuchtet die Jugend- und Liebesjahre von Hotelchefin Donna. In dieser Rolle überraschte Meryl Streep 2008 nicht nur eingefleischte Filmfans. Denn so viel Musiktalent hatten der Oscar-prämierten Charakterdarstellerin nur die Allerwenigsten zugetraut.

Frische junge Gesichterfür altbekannte Abba-Klassiker

In «Mamma Mia 2» wird die junge Donna von Schauspielerin Lily James gespielt. Die aus «Downton Abbey» bekannte Britin macht sich in den Schuhen der grossen Meryl Streep erstaunlich gut. Glaubwürdig und sexy singt, tanzt und spielt sich die 29-Jährige durch die Liebesabenteuer der jungen Donna, und auch die verjüngten Versionen ihrer Liebhaber machen einen tollen Job. Statt von arrivierten Stars wie Pierce Brosnan, Colin Firth und Stellan Skarsgard werden die Lover von aufstrebenden Jungdarstellern wie Josh Dylan («Allied»), Jeremy Irvine und Hugh Skinner («Les Misérables») gespielt.

Auch dank dieser frischen Gesichter ist «Mamma Mia 2» das filmgewordene Gegenteil von dem, was die schwedische Fussball Nationalmannschaft an der WM in Russland geboten hat: Der Streifen ist lustig, unterhaltsam, überbordend und oft sehr berührend. Man muss kein Prophet sein, um ihm einen riesigen Erfolg vorauszusagen. Zumal viele bekannte – und auch ein paar weniger bekannte – Abba-Songs erneut für glücklich strahlende Gesichter bei Film- und Popmusikfans sorgen werden.

Dass die Filmemacher ihren Fokus diesmal auf die junge Zielgruppe gelegt haben, ist bezeichnend. Denn Abba wurden seit dem letzten Film von einem Publikum entdeckt, das zu Glanzzeiten der Band noch gar nicht auf der Welt war – und das vor zehn Jahren noch nicht ins Kino durfte. Doch dass die seit über 35 Jahren inaktive Band es immer wieder schafft, neue Generationen zu begeistern, ist alles andere als ein Zufall.

«Abbas Musik ist zeitlos – sie erreicht immer wieder neue Generationen», lässt sich «Mamma Mia!»-Produzentin Judy Craymer zitieren. Mit ihrer positiven emotionalen Botschaft sei Abba heute «relevanter denn je». Auch Regisseur Richard Curtis pflichtet bei: «Mein Film verbreitet Spass und Optimismus. Aber er trägt auch einen feministischen Unterton der Leidenschaft und der Stärke in sich.» Nicht umsonst habe er seine 22-jährige Tochter um Rat gefragt, worum es bei der Fortsetzung gehen soll.

Tatsächlich hat «Mamma Mia! Here We Go Again» jede Menge Identifikationspotenzial für junge Leute. Die Geschichte der abenteuerlustigen Donna mit ihren spontanen Liebesaffären dürfte nicht nur Backpacker ansprechen. Auch junge Frauen auf der Suche nach sexueller Selbstbestimmung werden sich verstanden fühlen. Und im turbulenten Auf und Ab von Donnas Liebesleben erkennt sich die heutige Facebook-, Snapchat- und Tinder-Generation garantiert wieder.

In ihrer unglücklichsten Zeitschrieben Abba ihre besten Hits

Die Vorlage für diese kleinen und grossen Dramen liefern Abba selbst. In ihrer Blütezeit vor bald 40 Jahren sind die beiden musizierenden Paare innerlich völlig zerrissen. Sowohl dem Ehepaar Björn und Agnetha wie auch Benny und Anni-Frid wird der Erfolg zum Verhängnis. Eitelkeiten und Eifersucht treiben einen Keil zwischen die Liebespaare.

Nachdem Abba ab 1973 mit perfekt produzierten, meist sehr fröhlichen Popsongs die Welt erobern, werden Musik und Texte gegen Ende der 70er-Jahre immer düsterer. In Songs wie «Knowing Me, Knowing You», «Angel Eyes», «One of Us» oder «The Winner Takes It All» besingen Anni-Frid und Agnetha die Abgründe ihrer kaputten Ehen – und machen ihre Musik damit unsterblich.

Denn: Dem Erfolg schadet das private Drama nicht. Im Gegenteil, Abbas Lieder aus ihrer unglücklichsten Zeit gelten als die besten. Das bis heute makellos klingende «Super Trouper»-Album von 1980 etwa ist Abbas Meisterwerk – gerade weil sich Euphorie und Verzweiflung auf dieser Platte die Waage halten.

Kein Wunder: Die Ehe von Björn und Agnetha geht während der Aufnahmen zu Bruch. Jene von Benny und Anni-Frid wird zwei Jahre später dasselbe Schicksal ereilen. Die Gruppe nimmt noch ein letztes Album («The Visitor», 1982) auf, dann fällt sie auseinander. Abba sind Geschichte, ohne sich je offiziell aufgelöst zu haben.

Ende Jahr gibt es neue Musik –präsentiert von Hologrammen

Dass Abba im März dieses Jahres ein Comeback ankündigen, ist dennoch eine Mega-Sensation. Jahrzehntelang haben sich die beiden A (Agnetha und Anni-Frid) von der Öffentlichkeit ferngehalten. Auch Benny und Björn waren vor allem hinter den Kulissen aktiv; etwa bei der Musical-Version von «Mamma Mia!».

Nun soll es per Ende Jahr sogar neue Musik von Abba geben. Bereits im Sommer letzten Jahres waren die vier Mitglieder zusammen im Studio und nahmen neue Songs auf. Die 35 Jahre Pause hätten sich angefühlt wie sechs Monate, sagt Benny Andersson bei den Pressegesprächen zu «Mamma Mia 2»: «Es war erstaunlich, wie glücklich wir alle waren, wieder zusammen zu sein und zusammenzuarbeiten».

Gemeinsam auf der Bühne wird man Abba trotzdem nicht sehen. Andersson hat für das Comeback ein Konzept mit sogenannten «Abbatars» entwickelt: Hologramme, die anstelle der Band auf der Bühne stehen und die wie Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid Ende der 70er-Jahre aussehen sollen. Das Gefühl, es sei eher 1978 als 2018, dürfte so auch noch etwas anhalten.

«Mamma Mia – Here We Go Again» läuft ab Donnerstag in den Schweizer Kinos.

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