Bis 2030 will Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) den Kohlendioxid-Ausstoss der Schweiz halbieren. So verkündete sie es am Donnerstag. Nach dem Volksnein zum CO2-Gesetz setzt die Umweltministerin nun nicht mehr auf Abgaben, sondern auf Anreize: Der Bund investiert Milliarden, um die Bevölkerung zur Reduktion von Treibhausgases zu animieren.
Den Grünen aber geht das nicht weit genug. Die Vorschläge seien «mutlos» und «ungenügend», sagt die Partei zu Sommarugas Programm. Und ihre Nationalrätin Natalie Imboden (52) macht gleich Nägel mit Köpfen. Kommende Woche trägt sie einen Vorstoss in den Nationalrat, der für eine progressive CO2-Steuer wirbt.
Verursacherprinzip
Imboden will CO2-Verursacher stärker zur Kasse bitten: Wer mehr Klimagase produziert als Durchschnitts-Schweizer, würde von der neuen Steuer erfasst – je höher der Ausstoss, desto saftiger die Rechnung. Wer hingegen unter dem Durchschnitt liegt, müsste nichts bezahlen. Da die reichsten zehn Prozent mehr als 50 Prozent der Treibhausgase verursachen, würde die Steuer vor allem Gutbetuchte belasten.
Bloss: Wie misst man den individuellen CO2-Ausstoss? «Der Bund muss ein Instrumentarium zu seiner Erfassung entwickeln», sagt Imboden. «Wir haben ja bereits die gesamtgesellschaftlichen Zahlen sowie individuelle Daten zum Wohnraum und zur Mobilität. Ausserdem gibt es CO2-Rechner für den individuellen Fussabdruck. Darauf müssen wir aufbauen und ein System schaffen, das als Basis für die neue Steuer dient.»
Umsetzbarkeit schwierig
Genau darin allerdings sieht Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart (54) von der Uni Lausanne die grösste Hürde: «Es dürfte schwierig sein, den Ausstoss jedes einzelnen Haushalts mit vertretbarem Aufwand und unter Wahrung der Privatsphäre korrekt zu erfassen. Wenn das aber nicht gelingt, kann ein solches System kaum funktionieren.»
Das gescheiterte CO2-Gesetz hatte eine Lenkungsabgabe vorgesehen, die alle Konsumenten gleich trifft. Imbodens CO2-Steuer hingegen wäre wie die direkten Bundessteuer progressiv und würde nur starke CO2-Verursacher erfassen. «Aus ökonomischer Sicht ist das allerdings nicht unbedingt zielführend», wendet Brülhart ein: «Macht es wirklich Sinn, beim Individuum statt bei der Tätigkeit anzusetzen? Lenkungs- und Verteilungsziele sollte man besser trennen.»
Höhe der Steuer noch ungewiss
Eine progressive CO2-Steuer sei fair, weil sie das Verursacherprinzip durchsetze, entgegnet Imboden. «Die Frage der Bemessung ist offen, aber lösbar. Ein Land, das jede Kuh zählt, kann hoffentlich auch saubere Umweltstatistiken erstellen.»
Wie hoch wird die Steuer sein? «Das hängt vom Satz ab», so die Nationalrätin: «Den lasse ich bewusst offen. Entscheidend ist, dass er eine lenkende Wirkung hat.» Die Steuer soll solange erhoben werden, bis die Klimaziele erreicht sind. Die Einnahmen würden je hälftig in Klimaprojekte in der Schweiz und in Entwicklungsländern fliessen.
Noch sind einige Fragen offen. «Es braucht diese Debatte», meint Imboden. «Wer viel CO2 produziert, wird durch die Unsicherheit vielleicht jetzt schon zum Umdenken bewegt. Die anderen können ruhig schlafen. Sie wären von der Steuer nicht betroffen.»