Auf einen Blick
- Bitcoin nähert sich 100'000 Dollar, übertrifft andere Anlageklassen deutlich
- Trump befürwortet nationale Kryptoreserve, könnte Bitcoin-Durchbruch bedeuten
- Bitcoin-Markt beläuft sich auf 1,9 Billionen Dollar, der Goldmarkt auf 18 Billionen
Diese Woche hat der Bitcoin erneut einen Anlauf genommen, die Marke von 100’000 Dollar zu durchbrechen. Fast hätte es geklappt: Am Freitagnachmittag stieg der Kurs der Ur-Kryptowährung auf über 98’000 Dollar, bevor er wieder leicht nachgab. Der spektakuläre Wertanstieg des Bitcoins in den letzten Wochen und Monaten bleibt dennoch rekordverdächtig.
Die Kryptowährung lässt alle anderen Anlageklassen wie Gold, Aktien, Anleihen oder Rohstoffe alt aussehen. Seit Anfang 2024 hat der Bitcoin um 120 Prozent zugelegt. Der US-Index Nasdaq Composite, der Technologieaktien wie Apple, Nvidia oder Tesla enthält, stieg um 30 Prozent. Auch der Goldpreis kletterte um 30 Prozent. Der Schweizer Aktienindex SMI war mit einem Plus von 5,3 Prozent deutlich gemächlicher unterwegs.
Doch der Bitcoin ist keine Anlageklasse im herkömmlichen Sinn – und das ärgert viele Enthusiasten. Sie arbeiten intensiv daran, die Blockchain-Währung als solche zu etablieren. Mit Donald Trump (78) im Weissen Haus sehen sie nun ihre Chance gekommen. Der künftige US-Präsident sprach sich im Wahlkampf dafür aus, eine nationale Reserve in Kryptowährung anzulegen.
Sollte die grösste Volkswirtschaft der Welt Ja zum Bitcoin sagen, wäre das der langersehnte Ritterschlag. Es wäre der Durchbruch. Skeptiker, die den Bitcoin für völligen Humbug halten, dürften verstummen. Und es wäre eine Sensation in der jungen Geschichte der Kryptowährung: Entwickelt wurde die Open-Source-Software, die den Bitcoin ermöglicht, im Jahr 2008 von Satoshi Nakamoto – einem Pseudonym. Noch 2010 kostete eine Bitcoin-Einheit rund 20 Rappen.
Der Bias der Bitcoiner
Der enorme Preisanstieg machte viele frühe Investoren märchenhaft reich. Auch in der Schweiz. Für Aufsehen sorgte diese Woche die Liste der 300 Reichsten des Magazins «Bilanz». Zum ersten Mal tauchte dort Giancarlo Devasini (60) auf. Das Vermögen des ehemaligen Schönheitschirurgen wird auf 7 bis 8 Milliarden Franken geschätzt. Bei anderen Kryptomillionären sind die kolportierten Vermögen hingegen reine Spekulation. Die Bilanz schätzt das Vermögen des Zuger Exzentrikers Niklas Nikolajsen von Karlshof auf 300 bis 500 Millionen Franken. Es könnte aber auch deutlich mehr oder weniger sein. Das liegt daran, dass in der Kryptobranche niemand über seine persönlichen Bitcoin-Bestände spricht. «Das ist ein ungeschriebenes Gesetz», sagt Kryptoexperte Rino Borini, der selbst Bitcoin-Positionen hält.
Die Intransparenz ist ein Problem. Niklas Nikolajsen (49) ist Präsident der Bitcoin Association Switzerland und damit oberster Fürsprecher der digitalen Währung. Im Vorstand sitzt auch Luzius Meisser, ebenfalls ein Bitcoin-Verfechter und Verwaltungsratspräsident von Bitcoin Suisse. Meisser ist auch Mitinitiant einer Volksinitiative, die digitale Vermögenswerte bei der SNB verankern möchte.
Ohne Bitcoins in der Tasche würde sich niemand so einsetzen. Es geht also auch um die Verteidigung der eigenen Interessen. Rino Borini betont, dass Enthusiasten zwar einen Bias hätten, also voreingenommen seien, sich aber gleichzeitig stark für die Technologie und die Weiterentwicklung des Netzwerks einsetzen.
Der Kryptoexperte glaubt, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) «in den nächsten drei bis fünf Jahren» einen Teil ihrer Reserven in Bitcoin anlegen wird. Sollte die Währung tatsächlich Teil der SNB werden, wäre er neben Gold der zweite Wertspeicher. Der SNB-Präsident Martin Schlegel (48) ist allerdings skeptisch: Kryptowährungen würden trotz ihres Wachstums «ein Nischenphänomen» bleiben, sagte er kürzlich an einer Veranstaltung. Schlegels Vorgänger Thomas Jordan sagte vor zwei Jahren, der Bitcoin erfülle die Anforderungen an eine Währungsreserve nicht.
Bitcoin-Enthusiasten wie Borini hoffen, dass die Nationalbank und andere Institutionen irgendwann nicht mehr anders können, als die Kryptowährung ernst zu nehmen. Der gesamte Bitcoin-Markt beläuft sich derzeit auf rund 1,9 Billionen Dollar – der weltweite Goldmarkt wird auf rund 18 Billionen Dollar geschätzt. Apple, das teuerste Unternehmen der Welt, hat eine Marktkapitalisierung von 3,5 Billionen Dollar. Sollte der Bitcoin weiter an Wert gewinnen, wird es auch für Pensionskassen und andere institutionelle Anleger immer schwieriger, auf den Vermögenswert zu verzichten.
Bitcoin-System verbraucht so viel Energie wie ganz Ägypten
Allerdings leidet der Bitcoin weiterhin an seinen altbekannten Schwächen. Die enormen Kursschwankungen gehen zwar zurück, doch sie machen ihn für professionelle Anleger praktisch uninvestierbar. Zudem wird der hohe Energieverbrauch des Netzwerks kritisiert – derzeit verbraucht das Bitcoin-System etwa so viel Energie wie das 120-Millionen-Einwohner-Land Ägypten.
Der US-Professor David Yermack von der New York University sieht noch weitere Herausforderungen. In einem Interview bezeichnet der renommierte Experte den Bitcoin als «Technologie», die den Vorteil habe, als erste auf dem Markt gewesen zu sein. Die Währung könne aber durch überlegene Innovationen wie Ethereum oder Tether abgelöst werden. Er zieht einen Vergleich zu anderen Technologien. Bei Suchmaschinen oder Webbrowsern sei es nicht ungewöhnlich, dass Marktführer von neuen, besseren Lösungen verdrängt würden. «Ob der Bitcoin seine Position halten kann, ist für mich eine offene Frage», sagt Yermack.