Kolumne von Style Writer Wäis Kiani
Familienferien mit Schlagseiten

Wäis Kiani begreift plötzlich,wie wichtig die Familiengründung für die Mannwerdung ist.
Publiziert: 22.07.2015 um 14:34 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 18:18 Uhr

Wann sind Sie das letzte Mal mit Ihren Eltern weggefahren? Ich habe gerade eine Woche Südfrankreich hinter mir, nur meine Eltern und ich. Es gibt dazu einen Hintergrund, denn meine Kindheit und Jugend spaltet sich in zwei Hälften, eine glückliche und eine unglückliche. In den ersten glücklichen zehn Jahren sind wir in den Ferien immer nach Südfrankreich gefahren, das war damals in den frühen Siebzigern superchic. Wir fuhren mit dem Auto von Norddeutschland in den Süden, die ganze Côte d’Azur entlang, verbrachten ein paar Tage in einer kleinen Pension neben dem Hotel Le Negresco in Nizza, kauften Schuhe bei Bally in Cannes und fuhren weiter nach Monaco oder nach Marseille. Es waren total unbeschwerte Zeiten, auf die ich noch Jahre danach sehnsüchtig zurückblickte, weil wir die zweite Hälfte der 1970er in Teheran lebten, was den unglücklichen Teil meiner Kindheit ausmacht.

Aber jetzt bin ich wieder glücklich und wollte so die Reise mit meinen Eltern wiederholen. Es ging damit los, dass sich beide weigerten, den Leihwagen zu fahren, weil sie plötzlich keine Gangschaltung mehr bedienen können. Ich war also die schwitzende Driverin, was mir normalerweise nichts ausmacht, ich liebe Auto fahren, aber nicht, wenn zwei sich im Auto fürchten, zischen und dauernd schreien: Rechts, rechts! Zu schnell! Links, links! Und sich dauernd den Angstschweiss von der Stirn wischen. Auch ist Autofahren langweilig, wenn man keine laute Musik hören darf (wir werden taub!).

Das war so anstrengend, dass ich abends nach den Dîners todmüde ins Bett fiel. Die Restaurants auszusuchen, war natürlich auch meine Aufgabe, denn meine Eltern sagten grosszügig: Wir gehen da hin, wo du hinwillst. So lastete ein steter Druck auf mir, und ich fühlte permanente Schuld: Das Essen war am ersten Abend nur mittel, das Fleisch am zweiten Abend nicht so gut. Und die Tomaten und Pfirsiche «schmecken wie zu Hause». Sie lobten mich trotzdem ständig, aber ich fühlte mich schlecht, denn ich wollte alles perfekt machen und nicht nur mittel. Es war dennoch eine superlustige Reise, vor allem, als mein Vater im Tumult vom 14. Juli, Frankreichs Jubeltag, verloren ging, und gestern, als wir vom Strand kamen und der Parkplatz mit unserem Auto drin verschlossen war ...

Jetzt begreife ich, wie wichtig eine Familiengründung für die Mannwerdung ist. Die Verantwortung, eine ganze Truppe durchzubringen und glücklich zu machen, ist unglaublich gross, dabei war ich auf der Reise nur das Kind und musste nichts zahlen. Männer brauchen den Druck, um sich zu spüren, auch wenn sie ihn selten geniessen können. Wie so oft schliesse ich mit dem Satz: Ich bin so froh, dass ich nur ein blödes Mädchen geworden bin.

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