Diese Woche fasste ich einen wichtigen Beschluss für mein weiteres Leben. Um einzusteigen, muss ich Ihnen dazu ein Geständnis machen: Ich bin ein Jammerlappen. Ich habe schon als Kind sehr viel gejammert, als Teenager und als junge Erwachsene auch.
Meine Eltern machten sich früh über mich lustig und äfften mein Geheule nach. Meine Freunde fanden mein Genöle anstrengend, und wie die Männer eine Jammertante finden, das muss ich Ihnen ja nicht erklären.
Jetzt habe ich einen neuen Freund, Mister Z., von dem habe ich Ihnen vor drei Wochen erzählt. Er hat mittlerweile einen dritten Menschen, den er bezahlt, um eine Stunde abzujammern: eine ältere Dame – und sie scheint etwas von ihrem Job zu verstehen.
Jedenfalls quetscht sie ihn ordentlich aus. Aber genau wie die anderen Therapiestunden geht auch die spurlos an ihm vorbei. Er macht keine Entwicklung durch, er wird nicht klüger, sondern eher verrückter. Und er jammert dabei die ganze Zeit.
Deshalb dachten wir, seine Kumpels und ich, ein Tapetenwechsel würde ihm guttun, und rieten ihm zu einer Party von Freunden in Amsterdam.
Er rief nonstop aus Amsterdam an und textete in einer Nacht mehr als ich in Monaten. Amsterdam war scheisse, langweilig, und das Mädchen, das er kennengelernt hat, zu anhänglich.
Dann flog er nach Palma zu einem anderen Freund und einem anderen Mädchen. Erneuter Telefonterror.
«Du nervst», sagte ich ihm, denn ich hatte richtig viel Arbeit und hätte gerne mit ihm getauscht. Danach flog er nach Wien. Wien schien nicht ganz so übel zu sein, aber immer noch übel genug, um mehrmals anzurufen.
Letzten Montag fuhren wir in der Abendsonne mit einem Schiff auf dem Zürichsee, die Schönheit des Sees überwältigte mich so sehr, dass ich wie eine peinliche Touristin anfing, mit dem iPhone zu filmen. Aber leider sind alle Videos unbrauchbar, denn Mister Z. jammert im Hintergrund: «Mein Leben ist scheisse ...»
Das Abendessen war schockierend grauenvoll. Ich jammerte die Bedienung an, dass sogar im Unispital das Menü besser sei, aber angesichts seines ständigen Gejammers machte der Abend ohnehin keinen Spass mehr.
Wir fuhren in sein hammercooles Penthouse mit tollster Aussicht auf die Goldküste, während er jammerte, dass er seine Bude hasse und nicht wisse, ob er nächste Woche nach Ibiza fliegen solle. «Nein, natürlich nicht», sagte ich stinkig, «denn du hast eh nichts davon. Spring hier mit Gewichten an den Füssen direkt in den See.»
Seit gestern weiss ich, warum ich das alles erleben muss. Er hat alles, was man sich wünscht und sieht es nicht. Was für ein nerviger Idiot – ich will keine nervige Idiotin mehr sein.