Kathrin Amacker ist die einzige Frau in der SBB-Konzernspitze
«Kennen Sie eine Quotenfrau? Ich nicht»

Sie war die erste Frau in der Konzernleitung der Swisscom, sie ist jetzt die einzige in jener der SBB: Kathrin Amacker (56) über ihren Geduldsfaden, selbstfahrende ­Fahrzeuge und Monika Ribar.
Publiziert: 11.09.2018 um 14:29 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:54 Uhr
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Kathrin Amacker pendelt selbst – und sieht, dass die Kunden manchmal leiden.
Foto: Philippe Rossier
Rebecca Wyss

Sonntagsblick: Frau Amacker, Sie ­pendeln von Ihrem Wohnort Binningen nach Bern. Wann ­haben Sie sich zuletzt über die SBB geärgert?
Kathrin Amacker:
Ich ärgere mich grundsätzlich selten. Aber ich sehe, dass die Kunden manchmal leiden. Wir warten ja seit längerem auf neue Doppelstockzüge, und das hat Folgen. Gerade im Sommer, als es so heiss war und einige alte Wagen ohne Klimaanlage fuhren, fand ich das Kundenerlebnis nicht okay und verstand den Ärger.

Der SBB-CEO Andreas Meyer postete währenddessen am Ende seines Sabbaticals ein Foto von ihm in lässiger Pose auf Twitter. Ist das für Sie als Kommunika­tionschefin okay?
Ein CEO, der selber twittert, bewegt immer. Zwar steht er dabei für das Unternehmen. Für mich ist aber wichtig, dass er authentisch ist und seine Emotionen zeigen kann. Kontrolle ist da nicht nötig. Unser CEO hat klare Meinungen und viel Drive. Ich erlebe ihn in der öffent­lichen Kommunikation genau so, wie er ist, wenn er mit mir allein spricht.

Weshalb werden die Leute so schnell hässig auf die SBB?
Weil man die SBB kennt, weil sie für viele Menschen relevant sind und diese auf sie angewiesen sind. Von den SBB wird hohe Qualität ­erwartet. Macht man mal eine schlechte Erfahrung, gehen die Emotionen hoch. Ich finde das in Ordnung. Auch dass uns verärgerte Kunden böse Briefe schreiben. Wenn ich solche erhalte, schreibe ich immer zurück, und manchmal rufe ich auch an. Dann sind immer alle ganz baff. Oft entstehen inte­ressante Diskussionen bis hin zur Entstehungsgeschichte der Bahn und der Schweiz. Das zeigt mir, dass wir ein Teil der Schweizer Identität sind.

Eine gängige Klage ist, dass Pendler gerade in den Regionalzügen keinen Sitzplatz finden. Müssen sie sich damit abfinden?
Immer mehr Menschen pendeln vom Umland in die Städte an den Arbeitsplatz. Da wird es morgens und abends eng, das ist so. Wir ­dürfen dabei aber nicht vergessen: Im Regionalverkehr sind im Durchschnitt 80 Prozent der Plätze frei.

Wie kann man denn die Züge zu den Hauptpendlerzeiten ­entlasten?
Wir sind bereits daran, mit Unternehmen und Bildungsinstitutionen Lösungen zu finden. Das mit einer Initiative, bei der 150 Organisationen und die gesamte Bundesverwaltung mitmachen. Wenn es uns gelingt, 10 Prozent der Berufspendler dazu zu bringen, fle­xibler zu arbeiten, wäre viel getan.

Wie sieht diese Flexibilität aus?
Mit den digitalen Kommunikations­möglichkeiten von heute können Arbeitnehmende von zu Hause oder von einem Coworking Space aus arbeiten. Viele Unter­nehmen haben bereits verstanden, dass eine neue Generation nachkommt, für die digitales Arbeiten ganz normal ist. Wichtig ist und bleibt aber, dass der persönliche Austausch weiterhin stattfindet.

Was sehen Sie noch, wenn Sie in die Zukunft schauen?
Ich sehe selbstfahrende Fahrzeuge. Die Menschen werden kein Auto mehr besitzen, sondern nur noch eines bestellen. Und zwar bei einem Dienstleister. Sie werden das Auto auch nicht allein nutzen, sondern es mit anderen teilen und die Fahrtzeit für sich persönlich nutzen können. Das wird die Mobilität in unseren Städten und Dörfern komplett verändern.

Wie?
Es ergeben sich völlig neue Fragestellungen: Wer ist schuld und ­haftet bei einem Unfall? Wie ent­wickeln wir einen CO2-freien Verkehr? Dafür braucht es ein Staatssekretariat für Mobilität.

Was ist heute die Aufgabe der SBB?
Früher definierten sich die SBB ausschliesslich als Bahn, heute verstehen wir uns als Teil einer Mobilitätskette. Die Menschen fühlen sich heute weniger an ein bestimmtes Verkehrsmittel gebunden, sie kombinieren Auto, Bus, Elektrovelo oder Zug gemäss ihren Bedürfnissen. Und sie machen sich ­Gedanken über ihren ökologischen Fussabdruck. Das zeigte das Pilotprojekt «Green Class», das die ETH Zürich wissenschaftlich begleitete. In diesem Zusammenhang entwickelten wir ein Kombi-Angebot aus GA, Elektroauto, E-Bike und Mobility.

Streben die SBB also auch neben den Gleisen ein Monopol an?
Nein, wir möchten den Kunden auf seiner ganzen Reise begleiten. Also nicht nur von Bahnhof zu Bahnhof, sondern von seiner Haustür bis zu seinem Ziel. Das heisst aber nicht, dass wir alles ­besitzen wollen. Wir streben Partnerschaften an. Schon heute kann man Taxis über unsere App organisieren.

In Wirklichkeit drückt aber der Wettbewerb. Ist die Bahn im Vergleich zu den Billiganbietern wie Flixbus und Eurobus noch konkurrenzfähig?
Wir fürchten uns nicht vor Konkurrenz. Wir sind auch nicht gegen Wettbewerb. Es gibt Strecken, auf denen ein Bus mehr Sinn macht, weil sie wenig frequentiert sind. Gut finde ich zum Beispiel Busse, die frühmorgens von städtischen Zentren direkt zu unseren Landesflughäfen fahren.

Macht es nicht ein wenig Bauchweh, wenn die Leute jetzt für die Hälfte eines Bahnbillett-Preises mit dem Bus von Zürich nach Bern fahren können?
Nein, mir macht das kein Bauchweh. Diese Entwicklungen finden statt. Wir stellen uns dem Wettbewerb. Dank der Sparbillette sind wir manchmal sogar günstiger. Und wir bedienen teilweise auch unterschiedliche Zielgruppen, und die Zahl der Menschen, die ein ­Verkehrsmittel nutzen, nimmt zu und nicht ab.

Eurobus und Flixbus haben noch einen Vorteil: Gratis-WLAN. Wann ziehen die SBB nach?
Wir werden im Herbst aufzeigen, wie wir Gratisinternet in die Fernverkehrszüge bringen wollen. 2019 werden wir eine neue Technologie testen. Wichtig ist: Wir setzen dabei nicht auf WLAN, sondern auf ­einen Gratis-Internetzugang.

Andreas Meyer sagte dem «Beobachter» mal, dass Gratis-WLAN die SBB 30 Millionen ­kosten würde. Geht es ums Geld?
WLAN geht oft mit einer schlechteren Qualität gegenüber dem Netzempfang einher, zudem ist es teuer. Diese Kosten würden sich in einem höheren Ticketpreis niederschlagen. Und: Es wird eine Zeit geben, in der die WLAN-Technologie veraltet sein wird.

Sie setzen sich medial immer wieder für Frauen ein. Seit ­Jeannine Pillouds abruptem ­Abgang vor mehr als einem ­halben Jahr sind Sie das einzige weibliche Konzernleitungsmitglied. Sind Sie eine Quotenfrau?
Ich habe mich nie als Quotenfrau gefühlt. Ich glaube sowieso, dass dies eine Fata Morgana ist. Kennen Sie eine Quotenfrau? Ich nicht. Swisscom-CEO Carsten Schloter sagte mir im Rekrutierungsgespräch, dass er eine qualifizierte Frau suche und ob mich das störe, wenn er es gleich so sage. Ich fand es sympathisch, dass er so offen war. In jedem Team ist Komplementarität wichtig. Da kann es sein, dass man je nach Alter, Geschlecht, Fähigkeiten und Nationalität zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.

Sie sagten 2014 der «Tages­Woche», dass Ihnen der ­Geduldsfaden langsam reisst, weil «Frauen in den oberen ­Wirtschaftsetagen immer noch stark untervertreten sind». Wie sehen Sie das heute?
Der Geduldsfaden ist gerissen. Ich bin heute dafür, dass die Erhöhung des Frauenanteils in der Wirtschaft verbindlich geregelt wird. Das sollen aber die Unternehmen selbst tun. Ich finde es schade, wenn die Politik jetzt eingreifen muss.

Aber die Unternehmen bleiben untätig. Was schlagen Sie vor?
Untätig bleiben sie nicht, aber es geht zu langsam. Mentoring-Programme und Weiterbildungskurse bringen wenig. Für mich ist klar: Frauen konsequent für höhere ­Führungspositionen nominieren, das ist jetzt gefragt.

Die SBB selbst erfüllen die vom Bundesrat festgelegte Frauenquote von 30 Prozent in der ­Führungsetage nicht. Wo hakt es?
Vor wenigen Jahren noch gab es eine einzige Frau im SBB-Verwaltungsrat, heute sind es zwei. Mit dem Vorschlag des Bundesrats zur Wahl von Véronique Gigon im kommenden Jahr werden es drei sein. Das entspricht 33 Prozent.

Jetzt wankt mit der Affäre um Monika Ribar der Sessel einer der wenigen Frauen im Verwaltungsrat. Was sagen Sie zu den Vorwürfen gegen Frau Ribar?
Es sind Fehler passiert, da gibt es nichts schönzureden. Monika Ribar hat sich dafür öffentlich wie auch vor den SBB-Kadern entschuldigt. Ich fand dies mutig. Eine Entschuldigung allein genügt aber nicht. Wichtig ist, dass auch Taten folgen. Das ist hier der Fall. Der Verwaltungsrat hat seinen Verhaltens­kodex auf Anfang 2018 geändert und damit die Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats bereits umgesetzt, was diese positiv vermerkt hat. 

Die einzige Frau

Kathrin Amacker ist seit 2013 ­Leiterin Kommunikation & ­Public Affairs der SBB und ­Mitglied der Konzernleitung. Den gleichen Job hatte die 56-Jährige bei der Swisscom. Zwischen 2008 und 2010 sass sie für die CVP im Natio­nalrat. Ursprünglich kommt sie aus der Pharmazie, wo sie auch promovierte. Seit Jean­nine Pillouds Abgang vor einem halben Jahr ist Amacker die einzige Frau in der SBB-Konzernleitung. Bei der Swisscom war sie die ­erste Frau in dieser Funktion. Seit Jahren äussert sie sich immer wieder öffentlich zur Frauen­förderung in den Führungs­etagen. ­Kathrin Amacker ist ­verheiratet und hat drei Kinder.

Kathrin Amacker ist seit 2013 ­Leiterin Kommunikation & ­Public Affairs der SBB und ­Mitglied der Konzernleitung. Den gleichen Job hatte die 56-Jährige bei der Swisscom. Zwischen 2008 und 2010 sass sie für die CVP im Natio­nalrat. Ursprünglich kommt sie aus der Pharmazie, wo sie auch promovierte. Seit Jean­nine Pillouds Abgang vor einem halben Jahr ist Amacker die einzige Frau in der SBB-Konzernleitung. Bei der Swisscom war sie die ­erste Frau in dieser Funktion. Seit Jahren äussert sie sich immer wieder öffentlich zur Frauen­förderung in den Führungs­etagen. ­Kathrin Amacker ist ­verheiratet und hat drei Kinder.

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