Haben Sie Frust im Job? Besitzen Sie ein modernes Smartphone? Dann sollten Sie sich vielleicht überlegen, ob Filmemachen eine Alternative wäre. Gut, ein paar talentierte Schauspieler und eine knackige Idee brauchts auch. Aber eigentlich hat man heutzutage mit einem Handy schon fast alles, um einen Film für die grosse Leinwand zu drehen.
Bewiesen hat das vor kurzem kein Geringerer als Steven Soderbergh. Den Thriller «Unsane» hat der Top-Regisseur («Ocean’s Eleven», «Erin Brockovich») von A bis Z auf einem iPhone 7 Plus gedreht. Negativ bemerkbar macht sich das nicht: Die eine oder andere Tiefe mag nicht ganz so scharf wie bei den Bombast-Produktionen von Blockbuster-Haudegen Michael Bay wirken – aber sonst bietet «Unsane» waschechte Kinokunst aus der Hosentasche.
Viel Lob von US-Kritikern für Soderberghs Experiment
Ein Grosserfolg an der Kasse wurde der Ende März in den USA veröffentlichte Film zwar nicht. Doch die tiefen Produktionskosten hat der Thriller locker eingespielt.
Von den US-Kritikern gabs zudem viel Lob: Soderberghs Experiment sei «ein voller Erfolg», meinte etwa der renommierte «New Yorker». Und auch der «Chicago Reader» jubelte: «Die Machart schadet vielleicht ab und zu der Handlung, aber auf der visuellen Ebene ist die Umsetzung absolut packend.»
Für Regisseure ist das Filmenmit dem Handy eine Befreiung
Steven Soderbergh machte denn auch keinen Hehl daraus, dass er im Smartphone-Kinofilm die Zukunft seiner Branche sieht. Sein Film sei ein «Game Changer», ein Wendepunkt. Zum einen würden die grossen Kameras die Schauspieler beim Dreh oft unbewusst psychologisch beeinflussen. «Dieses Hindernis fällt mit dem iPhone weg», so der Regisseur. Vor allem aber sei das Filmen mit dem Handy für den Mann hinter der Kamera eine Befreiung: Er habe sich gefühlt wie ein Maler vor einer leeren Leinwand. «Ich konnte sofort loslegen.»
Längst werden ganze Spiel- oder Dokfilme mit hochauflösenden Fotokameras gedreht. Smartphonefilme sind so etwas wie die ultimative Konsequenz daraus: Jeder mit einem Handy in der Hosentasche kann einen Film drehen; die Logistik fällt nahezu gänzlich weg, die Kosten sind tief.
Davon profitiert auch das Schweizer MoMo-Festival. Vor vier Jahren gegründet, wurde das internationale Filmfestival für Smartphonefilme anfangs belächelt. «Viele Leute dachten an verwackelte Ferienvideos und meinten, das seien doch gar keine richtigen Filme», sagt Festivaldirektorin Andrea Holle.
Am MoMo-Festival gibts viele Filme aus exotischen Ländern
Doch die MoMo-Einreichungen unterscheiden sich deutlich von lustigen Selfie-Videos oder Vlogger-Filmchen auf Youtube. Durch die niedrige finanzielle Schwelle öffnet das Smartphone Tür und Tor sowohl für Inhalt und Form als auch für unterschiedlichste Herkünfte.
So könne heute ein Flüchtling seinen Weg mit dem Handy filmen, und schon verfüge er über Material für einen Dokfilm, nennt Holle ein Beispiel. Unter den Beiträgen, die am MoMo-Festival gezeigt werden, hat es denn auch auffallend viele aus exotischen Ländern, was das Filmemachen angeht.
Das MoMo war eines der ersten Festivals für Smartphonefilme. Wie sind Sie auf die Idee dafür gekommen?
Andrea Holle: Am Filmfestival in Locarno gab es einen Nebenwettbewerb für Filme, die auf Smartphones gedreht wurden. Ich sah das und dachte mir: Wieso gibt es kein eigenes Festival für diese Art von Film? So kam der Stein ins Rollen.
Das MoMo wird jedes Jahr grösser. Weshalb?
Vor vier Jahren, als wir angefangen haben, wurden wir noch belächelt. Das seien keine richtigen Filme, hiess es. Viele Leute dachten an verwackelte Ferienfilme. Inzwischen haben nicht zuletzt namhafte Regisseure dafür gesorgt, dass diese Art von Videos als eigene Filmsprache anerkannt wird. Davon profitieren wir.
Mittlerweile haben Sie einen grossen Mobilfunkanbieter als Hauptsponsor. Keine Angst vor einem Ausverkauf?
Dieser Vorwurf kommt erstaunlich selten. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass dieser Partner auf der Hand liegt. Immerhin werden die Kameras auch auf Samsung-Handys immer besser. Am Anfang gab es fast nur iPhone-Filme. Das hat sich inzwischen geändert.
Was ist Ihr Highlight am diesjährigen MoMo?
Sicher die Award-Night, die auch dieses Jahr wieder Monika Schärer moderieren wird. Das ist jedes Mal ein spannender und auch sehr emotionaler Abend für das Publikum, die Filmemacher und das ganze Team.
Das MoMo-Filmfestival findet am 9. und 10. Juni im Kosmos in Zürich statt.
Das MoMo war eines der ersten Festivals für Smartphonefilme. Wie sind Sie auf die Idee dafür gekommen?
Andrea Holle: Am Filmfestival in Locarno gab es einen Nebenwettbewerb für Filme, die auf Smartphones gedreht wurden. Ich sah das und dachte mir: Wieso gibt es kein eigenes Festival für diese Art von Film? So kam der Stein ins Rollen.
Das MoMo wird jedes Jahr grösser. Weshalb?
Vor vier Jahren, als wir angefangen haben, wurden wir noch belächelt. Das seien keine richtigen Filme, hiess es. Viele Leute dachten an verwackelte Ferienfilme. Inzwischen haben nicht zuletzt namhafte Regisseure dafür gesorgt, dass diese Art von Videos als eigene Filmsprache anerkannt wird. Davon profitieren wir.
Mittlerweile haben Sie einen grossen Mobilfunkanbieter als Hauptsponsor. Keine Angst vor einem Ausverkauf?
Dieser Vorwurf kommt erstaunlich selten. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass dieser Partner auf der Hand liegt. Immerhin werden die Kameras auch auf Samsung-Handys immer besser. Am Anfang gab es fast nur iPhone-Filme. Das hat sich inzwischen geändert.
Was ist Ihr Highlight am diesjährigen MoMo?
Sicher die Award-Night, die auch dieses Jahr wieder Monika Schärer moderieren wird. Das ist jedes Mal ein spannender und auch sehr emotionaler Abend für das Publikum, die Filmemacher und das ganze Team.
Das MoMo-Filmfestival findet am 9. und 10. Juni im Kosmos in Zürich statt.
Smartphone-Film schafft Nähe
Aussergewöhnlich ist auch noch etwas anderes: Smartphonefilme haben eine ganz eigene Bildsprache – eine, die eine besondere Nähe ausstrahlt. Soderberghs «Unsane» etwa handelt von einer Frau (gespielt von Claire Foy), die von einem Stalker bis in die Psychiatrie verfolgt wird. Ihre Paranoia fängt das iPhone des Regisseurs auf beklemmend reale Art und Weise ein und sorgt damit für Spannung.
Auch der erste vollständig auf einem Smartphone gedrehte Film, das Indie-Drama «Tangerine», machte die Beschränktheit der Kamera zu seiner Stärke. Der preisgekrönte Amoklauf einer Transsexuellen durch Los Angeles lebt von der Nähe, die der Zuschauer in den 88 Minuten Film spürt.
Der 2016 auch in den Schweizer Kinos gelaufene russisch-amerikanische Action-Reisser «Hardcore Henry» setzte sogar konsequent auf mittendrin statt nur dabei. 13 verschiedene Kameramänner wurden für den Film eingesetzt. Sie fingen mit einer kleinen Go Pro Bilder aus der Ich-Perspektive ein – und montierten sie zu einem Freudenfest für Adrenalin-Junkies.
Heutige Kids sind sich die Handy-Ästhetik gewohnt
«Tangerine»-Regisseur Sean Baker hat dem Smartphone inzwischen abgeschworen. Für seinen diesjährigen Film «The Florida Project» filmte er mit normalen 35-mm-Kameras – und holte sich gar eine Oscar-Nomination ab.
Dennoch: Der Hype um Smartphonefilme ist immens. Namhafte Regisseure wie Michel Gondry («The Green Hornet») oder Zack Snyder («Batman vs. Superman») haben iPhone-Kurzfilme gedreht und sich für diese Art des Filmschaffens starkgemacht. Gondry gibt in Videos sogar Tipps, wie man am besten filmt und fotografiert.
Einer der Gründe, weshalb so viele Regisseure die Zukunft im Handyfilmen sehen, sind die heutigen Kids. Die Generation Smartphone hat einen anderen Anspruch an Ästhetik als ihre Eltern. Sie sind sich diese Technik gewohnt.
Für sie sind Do-it-yourself-Machart und Anspruch auch kein Widerspruch, wie man am MoMo-Festival wird sehen können. Und dass das Publikum irgendwann auch den ersten Schweizer Smartphonefilm auf der Kinoleinwand bewundern kann, ist so sicher wie das iPhone.