Samih Sawiris (67) gilt als Erfinder des modernen Andermatt. Der ägyptische Touristiker sieht das Urner Bergdorf auf Augenhöhe mit Luxusdestinationen wie St. Moritz oder Zermatt. Noch hat er sein Ziel nicht ganz erreicht: Am Dorfeingang erinnern die Kaserne und ein riesiger Exerzierplatz noch an die Zeit, als das Militär hier oben den Ton angab.
Um Andermatt als glamouröse High-End-Destination zu positionieren, engagierten Sawiris und die von ihm kontrollierte Andermatt Swiss Alps AG (ASA) einen Lifestlye-Gastronomen aus Ibiza. Christian Marstrander, gebürtiger Norweger, betreibt auf der balearischen Partyinsel unter dem Label «Cotton Club» zwei Beachclubs, ebenso auf Zakynthos im Ionischen Meer.
Im vergangenen Jahr zog Marstrander nach Andermatt. Dort, mitten auf dem windigen Plateau, eröffnete er einen weiteren Cotton Club. Er trimmte das Restaurant des Andermatter Golfclubs auf mediterranen Chic und installierte auf der Terrasse eine riesige transparente Halbkugel, um die Gäste vor Kälte zu schützen. Die Küche erweiterte er asiatisch-mediterran und setzte Sushi oder Pekingente auf die Karte. Gegen den Durst gab es Dom Pérignon für 650 Franken oder Barolo von Angelo Gaja.
Doch bereits nach der ersten Saison macht sich Katerstimmung breit. Marstrander scheint es mit den Zahlungsfristen nicht so genau zu nehmen. Ein Betreibungsauszug von letzter Woche zeigt mehrere Einträge: Marstrander wird von einer Zuger Anwaltskanzlei auf 17'231 Franken betrieben. Die Versicherung Mobiliar fordert 6001 Franken. Zu denken gibt auch eine Forderung von GastroSocial über 12'915 Franken. Hat Marstrander Löhne und Sozialabgaben nicht bezahlt?
Mehrere lokale Lieferanten warten ebenfalls auf Geld, auch wenn sie noch keine Betreibungen eingeleitet haben: «Eigentlich mag ich ihn», sagt ein Andermatter Gewerbler. «Aber so kann man keine Geschäfte machen.» Insgesamt belaufen sich die Forderungen auf schätzungsweise 200'000 bis 300'000 Franken.
Samih Sawiris hat den grössten Schaden
Den grössten Schaden dürfte Sawiris’ ASA haben, die das Golfer-Clubhaus an Marstrander vermietet hat. Pressesprecher Stefan Kern will das nicht bestätigen. «Wir kommentieren die finanziellen Beziehungen zu unseren Mietern nicht», schreibt er. Dazu muss man wissen: Der 18-Loch-Golfplatz gehört, wie so vieles im Bergdorf, der Firma von Samih Sawiris.
Marstander selbst gibt sich irritiert, als ihn SonntagsBlick auf dem Handy erreicht. Er sei überrascht, dass ihn ein Journalist nach offenen Rechnungen frage, und er sei der Meinung, dass ein junges Unternehmen auch in der Schweiz genügend Zeit haben müsse, um Aussenstände zu begleichen. Es stimme nicht, dass er die Löhne nicht bezahlt habe. Er werde seine finanziellen Verpflichtungen bis zum Beginn der Wintersaison begleichen.
Ob es so kommt, wird sich zeigen. Für Marstander ist die Sommersaison in Andermatt jedenfalls vorbei. Diesen Donnerstag übernahm das Luxushotel The Chedi den Betrieb, wie der Pressesprecher bestätigt. Der Cotton Club brauche Ressourcen für den Betrieb der Sommerdestinationen am Meer, begründet er. Das Luxushotel gehört ebenfalls zur ASA von Sawiris.
Vermutlich ging es dessen Unternehmen auch darum, grösseren Schaden abzuwenden. Das Elektrizitätswerk Ursern, so hört man im Dorf, hätte dem Cotton Club den Strom abgestellt, wenn das Chedi übernommen hätte. Auch ihm schuldet der Nobelclub Geld.
Die Gäste haben vom abrupten Wechsel kaum etwas mitbekommen. Am Donnerstag veranstaltete die «Weltwoche» ein Leserturnier. Dem Vernehmen nach haben Verleger Roger Köppel (59) ebenso wie Skilegende Bernhard Russi (75) eine Runde gedreht. Russi ist nicht nur der bekannteste Andermatter, sondern auch Präsident des Golfclubs.