Frank A. Meyer – die Kolumne
Falsche Töne

Publiziert: 05.05.2024 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2024 um 10:17 Uhr
Foto: Antje Berghaeuser

Was hallt nach vom 1. Mai 2024? Arbeiterworte? Das wäre zu erwarten, ist der Tag der Arbeit doch der Tag der Arbeiter – eines Feiertages würdig, im Kalender nur mit christlichen Festen zu vergleichen.

Doch der Nachhall hat nichts mit Arbeitnehmern zu tun, es ist vorwiegend der Lärm von Demonstrationen, die sich zur Randale ausweiteten – wie jedes Jahr, wenn die Arbeiter ihren werktätigen Alltag feiern.

Denn da feiern die Linksradikalen mit, organisiert im Schwarzen Block, der sinnigerweise in der Farbe der faschistischen Schwarzhemden marschiert, neuerdings auch linksgrün geschminkt, um die gerade angesagte Diversität von binär und trans und klimakorrekt und überhaupt in jeder Hinsicht anders gefärbt vorzuzeigen.

Die Polizei zählt zur Zeremonie dieser Zeitgeist-Züge, begleitet sie, bändigt sie, verleiht ihnen die Aura von Bedeutung – sie garantiert den Lärm, der in den Medien Widerhall findet.

Wer hört da am Tag der Arbeit noch die Stimmen von Arbeitern?

Der hohe Tag der Werktätigen hat sich gewandelt zum Tag seiner Übernahme – durch eine Studenteska, die in linken Parolen schwelgt, der aber jede Erfahrung an der Werkbank fehlt. Ein Sozialisations-Manko, das zur hysterischen Übersteigerung revolutionärer Forderungen führt, am liebsten der zur Überwindung des Kapitalismus – man möchte ja glaubwürdig erscheinen: als Genossen unter Genossen.

Die Jusos, Avantgarde dieser Revolution, reklamierten zum 1. Mai unter der Parole «Ausbildung statt Ausbeutung» 1000 Franken Monatslohn für Lehrlinge, inklusive zehn Wochen Ferien. Die «Neue Zürcher Zeitung» machte sich die Mühe einer Rückfrage beim Juso-Präsidenten: wie viele Mitglieder der neunköpfigen Juso-Geschäftsleitung eine Berufslehre absolviert hätten. Der Juso-Präsident, immerhin eine ehrliche Haut, gestand: seines Wissens niemand.

Tja, so ists: Keiner der Linksgrünen hat etwas Konkretes und Kollegiales mit den Arbeitern zu tun, denen der 1. Mai doch gewidmet ist, den Schreinern, Mechanikern, Pflegerinnen, Verkäuferinnen, Coiffeuren – vom klassischen Handwerk bis zum Techno-Beruf.

Die Zusammenrottung der Studis mitsamt ihren juvenilen Professoren übertönt durch ihren Lärm die Würde des Arbeitertages – anmassend und übergriffig.

Was wäre ein würdevoller 1. Mai? Bilder davon gibt es. Sie zeigen Arbeiter, gewerkschaftliche Kolleginnen und Kollegen beim Marsch durch die Strassen, bürgerlich selbstbewusst im Outfit, die Männer in Krawatte – vor noch nicht allzu langer Zeit.

Bürgertum des Fortschritts.

Genau das war, das ist, das wäre die politische Klientel des Tages, den die Genossen einst dem ausbeuterischen, fortschrittsfeindlichen Kapitalismus entgegensetzten – und damit der modernen sozialliberalen, der offenen Gesellschaft den Weg bahnten.

Die universitär entfremdeten Urenkelinnen und Urenkel, Enkelinnen und Enkel missbrauchen die Feiern des 1. Mai mit ihren vulgär-revolutionären Darbietungen. Denn eines sind sie ganz sicher nicht – links!

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