Facebook-Projekt «Metaverse»
Zuckerberg und die Barbecue-Sauce

Der Chef des Sozialen Netzwerks träumt von einer schönen neuen virtuellen Welt namens «Metaverse». Die wahren Gründe für die Offensive sind banaler.
Publiziert: 02.11.2021 um 08:59 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2021 um 09:25 Uhr
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Mark Zuckerberg stellte am Donnerstag seine Vision "Metaverse" vor.
Foto: DUKAS
Reza Rafi

Diese achtzig Minuten werden wohl als eine der schillerndsten Episoden in die Technikgeschichte eingehen.

Am Donnerstag präsentierte Mark Zuckerberg, Chef des Facebook-Konzerns, der sich neuerdings Meta nennt, seine Vision einer paradiesischen Zukunft. Das sogenannte Metaverse, ein dreidimensionaler virtueller Raum, werde das Internet ablösen, ist er überzeugt.

Name und Konzept von Metaverse sind indes keine Erfindungen Zuckerbergs, sondern stammen von Science Fiction-Autor Neal Stephenson. Funktionieren soll das Ganze gemäss «Zuck» so: Wir setzen uns eine Cyberbrille auf, und schon befinden wir uns im Metaversum. Dort werden wir zu glücklichen Avataren, die Freunde treffen, spielen, shoppen und arbeiten. «Wir werden fähig sein, die Präsenz von Menschen zu fühlen, egal, wie weit weg wir voneinander sind», schwärmt der Halbgott in Turnschuhen.

Zu Beginn des Videos steht er in einem cleanen Wohnzimmer mit dem Charme eines Möbelladens. Die Kamera folgt ihm in einen Raum mit einem Regal, das ein kurioses Detail aufweist: Als Buchstopper fungiert eine Flasche Barbecue-Sauce. Zuckerberg hatte sich wiederholt als grosser Fan dieses Produkts geoutet. Womit die Flasche zu einer leicht unheimlichen Komponente des Films wird: Die Grill-Zutat soll uns zeigen, dass es sich bei Zuckerberg um einen Menschen wie dich und mich handelt. Roboter und Reptiloiden mögen keine Barbecue-Saucen.

Was uns im Gewand einer Erlösungsreligion geboten wird, hat tatsächlich einen profanen Hintergrund: Zwar herrscht Zuckerberg über eine ratternde Geldmaschine – der Umsatz von Facebook belief sich letztes Jahr auf über 85 Milliarden, also gut 230 Millionen US Dollar pro Tag. Doch steht der Gigant mit dem Rücken zur Wand: Jüngste Enthüllungen bestätigen den Verdacht, dass Facebook die Kontrolle über die gesellschaftlichen Auswirkungen seiner Plattformen verloren hat.

Zuckerberg hat einen Popanz erschaffen, der die Menschen einander nicht näher bringt, sondern soziale Gräben vertieft, Extremismus fördert und der – insbesondere über das hauseigene Instagram – Jugendprobleme verschärft.

Dafür hat die politische Relevanz im Westen nachgelassen; der tägliche Meinungsdurchfall ergiesst sich inzwischen lieber auf Twitter und in Telegram-Chats.

Die Facebook-Aktie ist die letzten Wochen unter Druck geraten. «Zucks» Offensive ist eine Flucht nach vorn. Er verfolgt aber noch eine andere, ganz persönliche Mission – zwischen ihm und seinen Usern steht ein Mächtiger, den er unbedingt loswerden will: Tim Cook, der Herr über die iPhones. Zuckerberg wird eine tiefe Abneigung gegen den Apple-Chef nachgesagt, nicht zuletzt weil dieser findet, dass Soziale Medien für das Sammeln der Daten die Erlaubnis ihrer Benutzer brauchen. Metaverse ist auch ein Versuch von Facebook, sich aus den Armen von Apple zu befreien.

Ob Zuckerbergs Prophezeiung eintreten und die Menschen tatsächlich dereinst das Handy gegen die Zauberbrille tauschen werden, wird sich weisen. Jedenfalls ist untergegangen, was in seiner schönen neuen Welt vor allem stattfinden wird: Werbung. Für Windeln, Flüge, Turnschuhe. Oder Barbecue-Saucen.

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