Dr. phil. Eveline von Arx gibt Einblick in das Leben der Schweizer Jugend
Versexte Jugend

Trotz einfacherem Zugang zur Pornografie und einer ziemlich sexualisierten Sprache, ist es ein Trugschluss, dass die heutigen Jugendlichen besser aufgeklärt sind. Gerade im Umgang mit Gefühlen tun sich viele junge Menschen schwer.
Publiziert: 08.11.2015 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:04 Uhr
Von Eveline von Arx

Als ehemalige Leiterin des «Dr. Sommer»-Teams bei der deutschen Jugendzeitschrift «Bravo» werde ich bei Aussagen wie «Die heutige Jugend sei sexuell viel aktiver, frühreifer und hemmungsloser» meist ziemlich hellhörig. Denn das Bild, das uns insbesondere auch medial von den heutigen Pubertierenden vermittelt wird, ist meist sehr einseitig und oft auch falsch. Zwar stimmt es, dass sich manche Jugendliche heute einer ziemlich sexualisierten Sprache bedienen, dass der Zugang zur Pornografie einfacher geworden ist und junge Menschen deshalb vielleicht früher Bilder von bestimmten Sexpraktiken vermittelt bekommen. Davon auszugehen, dass die Jugendlichen deshalb besser aufgeklärt seien, ist jedoch ein Trugschluss.

Gerade wenn es um den Umgang mit Gefühlen geht, die in der Liebe, bei der Sexualität und in Beziehungen immer von zentraler Bedeutung sind, ist der Aufklärungsbedarf nach wie vor gross. Und das ist ja auch verständlich. Denn jeder junge Mensch macht seine individuellen sexuellen Erfahrungen. Er lernt, was es etwa heisst, sich dem Partner mitzuteilen, mit Liebeskummer umzugehen, die Sache mit der Verhütung zu regeln, das eigene Aussehen und den Körper anzunehmen oder mit Schüchternheit klarzukommen. Es sind Herausforderungen, mit denen alle Jugendlichen irgendwann zum ersten Mal in ihrer sexuellen Entwicklung konfrontiert sind.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an die folgende Frage, die mir ein Junge einmal bei einem Besuch des «Dr. Sommer»-Teams an seiner Schule stellte: «Müssen Mädchen beim Sex eigentlich immer so stöhnen, wie dies die Frauen in Pornos tun?» Sie sehen: Die Herausforderungen und auch die Unsicherheiten im Umgang mit der Sexualität sind für heutige junge Menschen also nach wie vor gross – mit einer versexten Jugend hat dies allerdings nichts zu tun.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?