In der Obwaldner Altersresidenz «dr Heimä» starben innert dreier Wochen neun Bewohnerinnen und Bewohner an Corona. Der Fall rüttelt landesweit auf, weil das Personal «in der warmen Jahreszeit» auf das Tragen von Masken verzichtete, wie Daniel Kiefer, Geschäftsführer des Heims am Mittwoch an einer Pressekonferenz sagte.
Man sei davon ausgegangen, dass die Maskenpflicht des BAG eine Empfehlung sei und man deshalb Spielraum habe, sagt Kiefer. Er schliesst einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Maskentragen und den Todesfällen aus. Die Polizei hat mittlerweile Ermittlungen eingeleitet, ebenso die Staatsanwaltschaft, wie die «Sonntagszeitung» schreibt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Für Kopfschütteln sorgte wenig später eine Gruppe Freiheitstrychler, die vor dem Altersheim mit Fackeln und einem Priester auftrat – und so die tragischen Todesfälle für ihre politischen Zwecke missbrauchte.
Dabei unterstreicht der Fall Giswil ein mal mehr den Wert einer Immunisierung: Von den neun Verstorbenen waren lediglich drei geimpft. Die Heimleitung hatte nicht nur die Schutzmassnahmen aufgehoben, auch ihre Impfbemühungen liessen zu wünschen übrig, wie Nachfragen beim Obwaldner Gesundheitsamt ergaben.
Laut Auskunft der Behörde waren von insgesamt 50 Heimbewohnern nur 32 geimpft, was einer Impfquote von 64 Prozent entspricht – einer fatal tiefen Quote, zumal in Risikogruppen. Zum Vergleich: Schweizweit sind von den über 65-Jährigen mehr als 86 Prozent vollständig geimpft.
Es muss nicht immer tragisch enden
In Obwalden allerdings ist die Bevölkerung generell impfskeptisch, erst 55 Prozent sind doppelt geimpft, der Kanton belegt damit schweizweit einen der hintersten Plätze.
Dass Corona-Ausbrüche in Alters- und Pflegeheimen nicht derart tragisch enden müssen, zeigt nun ein anderer aktueller Fall: Im Betagtenheim des Centers da Sanadad in Savognin GR steckten sich in den vergangenen Wochen 17 von rund 40 Bewohnerinnen und Bewohnern mit dem Virus an, wie Direktorin Christine Demarmels gegenüber SonntagsBlick bestätigt.
Alle Betroffenen seien gegen Covid geimpft gewesen, so Demarmels, «bei allen Fällen handle es sich um Impfdurchbrüche». Die Krankheit sei bei den betroffenen Seniorinnen und Senioren sehr milde verlaufen. Was den Schluss nahelegt, dass die Impfung die Betagten vor schweren Folgen bewahrt hat.
Anders als in Giswil sind im Savogniner Heim laut dessen Direktorin 95 Prozent der Bewohner geimpft. Zudem gilt im Bündner Betrieb – ebenfalls anders als im Obwaldner Fall – «seit Pandemiebeginn ohne Unterlass die Maskenpflicht», wie Demarmels betont.
Impfdurchbrüche mit schweren Folgen steigen
Gleichwohl hatten die Impfdurchbrüche in Savognin nach Auskunft der Direktorin zur Folge, dass vorübergehend keine Besuche mehr möglich waren und die Belegschaft durch «die isolationsbedingten verschärften Schutzmassnahmen» stark gefordert war, denn es sei der erste Ausbruch im Heim gewesen.
So unterschiedlich die Fälle gelagert sind, zeigen doch beide: Das Virus ist zurück in den Alters- und Pflegeheimen. So kam es landesweit in den vergangenen Tagen und Wochen vermehrt zu Ansteckungen – tödlich wie im Fall Giswil, glimpflich wie im Fall Savognin.
Auch die Zahl der Impfdurchbrüche mit zum Teil schweren Verläufen steigen landesweit. Laut Angaben des Bundesamts für Gesundheit mussten in diesem Jahr 530 Personen über 70 Jahre, die doppelt geimpft sind, hospitalisiert werden, 142 starben. Die Dunkelziffer bei vollständig geimpften covidinfizierten Senioren dürfte indes weitaus höher liegen.
Das liegt zum einen daran, dass der Impfschutz kontinuierlich abnimmt. Die ersten Senioren hatten bereits im Februar ihre Injektionen erhalten. Zum anderen werden Personen, die nicht in eine Klinik müssen oder gar am Virus sterben, seit Oktober nicht mehr statistisch erfasst.
Zahlen künstlich tief gehalten
Die Zahl der nicht hospitalisierten Impfdurchbrüche sei «kein zuverlässiger Indikator», begründete das BAG die Abkehr vom alten Regime. Auch Alters- und Pflegeheime führen keine gesonderte Statistik zu positiven Corona-Fällen in ihren Einrichtungen.
Damit wird die Zahl der gemeldeten Impfdurchbrüche künstlich tief gehalten und der epidemiologische Verlauf in den Alters- und Pflegeheimen nur ungenügend abgebildet.
Zusätzlich verschärft hat die Situation das lange Warten auf die dritte Corona-Impfung, den sogenannten Booster. Erst diese Woche erteilte die Heilmittelbehörden Swissmedic die Zulassung – in Deutschland kommen Senioren bereits seit Anfang September in den Genuss der Auffrischung. Viele Kantone hatten sich eine schnellere Booster-Freigabe gewünscht.
Booster-Impfung kommt
Einzig Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem wurde in der Schweiz bisher eine dritte Impfdosis verabreicht. Nach Angaben des Bundes handelt es sich um rund 7700 Personen.
Nun naht der Winter und mit ihm die Feiertage: Bei den Senioren kommt es nun aufs Tempo an. In den meisten kantonalen Impfzentren beginnen die Auffrischimpfungen für über 65-Jährige am 15. November.
In Basel Stadt und Zürich schwärmen bereits nächste Woche mobile Impfteams in Alters- und Pflegeheime aus. Über 75-jährige erhalten von einzelnen Kantonen einen Brief mit Informationen zu Booster-Impfungen und der Anmeldung dafür. Geimpfte ab 65 Jahren werden via SMS vom Gesundheitsdepartement informiert.