Tausende Corona-Skeptiker und Zertifikats-Gegner demonstrieren in Bern
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Friedlicher Umzug:Tausende demonstrieren in Bern

Aufmarsch einer unheiligen Allianz in Bern
Trychler und Antifa

Rechte und Linke demonstrieren neuerdings gemeinsam gegen das Covid-Gesetz. Nicht nur das Pro-Komitee zeigt sich beunruhigt.
Publiziert: 24.10.2021 um 01:36 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2021 um 10:18 Uhr
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Das ist neu: Antifa-Fahnen und roter Stern an der Demo der Massnahmen-Gegner in Bern.
Foto: Thomas Meier
Tobias Marti (Text) und Thomas Meier (Fotos)

Die erstaunlichsten Fahnen flatterten gestern in Bern: «Antifaschistische Aktion» steht auf der einen, die andere zeigt einen roten Stern – eindeutig Insignien der linken Bewegung. Nur: Was haben sie an einer bewilligten Demo der Massnahmengegner zu suchen, die hier am Samstag zu Tausenden demonstrierten?

Bisher trommelten vor allem Impfgegner und SVP gegen das Covid-19-Gesetz, über das die Schweiz am 28.November abstimmt. Besonders umstritten ist die Frage des Zertifikats. Das Publikum an Demos der Massnahmengegner gilt als ländlich und konservativ, Rechtsextreme laufen wie am Samstag immer wieder mit.

Angst vor Überwachung

Doch plötzlich mobilisieren auch Linke gegen die Vorlage. Den Anfang machten Sibylle Berg und ihr «Komitee der Geimpften». Die Schriftstellerin befürchtet, der Gesundheitsnachweis führe in die «totale Überwachung».

Zur Demo in Bern trommelten erstmals Rechte und Linke gemeinsam, das Aktionsbündnis Urkantone und die Freie Linke Schweiz – womöglich ein Wendepunkt im Massnahmenwiderstand, sicher aber ein Schulterschluss, der dem Bundesrat ungewohnte Sorgen bereiten dürfte.

«Ich bin sehr enttäuscht, mit wem sich manch Linke und Grüne ins Bett legen», sagt Peter Metzinger, der Kopf der zivilgesellschaftlichen Kampagne für das Covid-Gesetz. Die Bewegung der Trychler und Co. sei nicht lediglich gegen das Zertifikat, sondern gegen jegliche Massnahmen. Metzinger: «Die wollen einfach weiter so tun, als ob es keine Pandemie gäbe.» Am Ende gehe es um die Frage, ob wir eine Politik der wissenschaftlichen Fakten und der Aufklärung wollten oder eine Politik auf Basis «von Verschwörungsmärchen und Falschinformationen».

Laut GFS-Umfrage von dieser Woche sind derzeit 61 Prozent für das Covid-Gesetz – kein allzu bequemes Polster. Auch viele Geimpfte sind der Massnahmen zunehmend müde. Indes: Wer gibt das bei Umfragen zu? Droht am Ende sogar eine Überraschung wie bei der Minarett-Initiative? Sicher ist: Die Schweiz wäre das erste Land der Welt, in der die Bevölkerung die Pandemie für beendet erklärt.

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Falsche Linke?

Der linke Block an der Berner Demo war mit etwa 100 Mitmarschierenden von überschaubarer Grösse, aber deutlich zu sehen. Dennoch zweifelt Metzinger an einem Schulterschluss mit der Rechten. «Ich frage mich, ob die Freie Linke Schweiz einfach lediglich links etikettiert ist, um Unterstützer und Stimmen im linken Spektrum zu ködern», sagt er. Den Massnahmengegnern sei es wichtig, nicht länger rechts verordnet zu werden. Also segeln sie unter falscher Flagge?

Simone Machado politisiert links aussen. Sie sitzt für die Grünalternative Partei im Berner Stadtparlament. Und sie hat die Samstagsdemo im Namen der Freien Linken Schweiz mitorganisiert. «Ich habe nicht das Gefühl, mich mit den Rechten zu verbünden», wehrt sie ab. Linke und grüne Kritiker der staatlichen Massnahmen gebe es durchaus. Nur hätten sie bisher nicht gewagt, sich zu äussern. «Der kritische Diskurs war in der Pandemie eingeschränkt. Alles, was den Massnahmen nicht folgte, war rechts, blöde oder böse», so Machado.

Die Kategorien links und rechts müssten aufgeweicht werden, meint Machado. Die Freie Linke Schweiz sei ein Gefäss für linksorientierte Menschen, die ihre politische Heimat verloren hätten. Sie sei gegen das Zertifikat, nicht aber gegen sämtliche Massnahmen. Machado: «Ich habe keine Berührungsängste mit der SVP, würde aber nie gemeinsame Sache machen mit Mörgeli, Köppel und Co.»

Die Organisatorin wird, wie sie sagt, von links bis rechts angegriffen: «Mir kommt es vor, als wäre die Demokratie dabei aufzuwachen, mit heftigem Rütteln.» Wie auch immer die Abstimmung ausgehe, der politische Diskurs müsse geführt werden.

Wenig Begeisterung beim Ja-Lager

Fünf Wochen vor dem Urnengang gibt es wenig Unterstützung für das Covid-19-Gesetz. Obwohl ausser der SVP alle grossen Parteien dafür sind, zeigen sie wenig Lust, für ein Ja zu weibeln. Und die Wirtschaftsverbände mögen nicht investieren.

Anders die Gegenseite: Die «Freunde der Verfassung», nebst Verbündeten, haben über 800'000 Franken für ihre Kampagne gesammelt. «Ein Ja ist gar nicht sicher, das könnte grausam schiefgehen», warnt Peter Metzinger. «Uns fehlen die Mittel. Darum brauchen wir dringend die Unterstützung sämtlicher Wirtschafts- und Branchenverbände», sagt er. Sie müssten nun dringend ihre Leute informieren und mobilisieren.

Mehr als 10'000 Leute waren an der Demo in Bern, der bisher grössten ihrer Art.

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