Die Amerikaner mit ihrem Hang zum Pathetischen hätten das Kind vielleicht «Hope» genannt, Hoffnung auf Deutsch. Hoffnung in Zeiten der Krise. Stephanie Burri (33) und ihr Mann Tiago Vicente (38) gaben ihrer Tochter den Namen Olivia. Aus einem guten Grund. «Wir hatten den Namen schon vorher ausgewählt», sagt die Mutter. Olivia ist am Dienstag um 1.48 Uhr in der Nacht im Zürcher Spital Triemli zur Welt gekommen, 3130 Gramm schwer, 49 Zentimeter gross, gesund.
Ein Wunder in wunderlichen Zeiten. Eine Ahnung, wie es sein würde, dieser Tage ein Kind zu gebären, bekam Stephanie Burri bereits während ihrer Schwangerschaft. Die Physiotherapie, die Massagen und das Schwangerschafts-Yoga fielen der neuen Abstandsregel zum Opfer: «Wir waren schon etwas verunsichert.»
Alle tragen Masken, auch der Ehemann
Olivia ist ihr zweites Kind, ihre Erstgeborene, Lara, ist heute dreieinhalb. Das Prozedere bis zur Geburt – die ersten Wehen, anrufen im Spital, Taschen packen und einrücken – blieb auch diesmal gleich. In der Frauenklinik gab es dann aber einen unübersehbaren Unterschied: Hebammen, Ärztinnen und der eigene Mann mussten Masken tragen. Sie selber hatte zu Beginn auch eine auf. Des Dings entledigte sie sich irgendwann, daran habe sie niemand gehindert, sagt sie und lacht. Sowieso möchte Burri allen Schwangeren da draussen in Corona-Zeiten die Angst nehmen: «Es ist eine spezielle Situation, aber hinter den Masken stecken Profis.»
Eine Hochschwangere, die mit dem Virus infiziert ist, wäre für jede Frauenklinik natürlich der schlimmste Fall. Im Triemli gab es bisher aber lediglich Verdachtsfälle.
Nach der Geburt durfte Vater Tiago Vicente noch ein paar Stunden bleiben – als Frau und Tochter ins Wochenbett verlegt wurden, endete aber die Besuchszeit. Ab diesem Zeitpunkt war kein Besuch mehr erlaubt, von niemandem. Was Burri durchaus als positiven Effekt empfand: «Es war viel ruhiger und dadurch entspannter.» Für die Geräuschkulisse sorgten einzig die Geburten und die Babys.
Grosseltern würden am liebsten sofort kommen
In den Zimmern trugen weder Kinder noch Mütter Masken, in den Gängen mussten die Frauen welche anziehen. Isoliert durch das Besuchsverbot war die Heimkehr nach drei Tagen umso intensiver. Burri: «Es war überwältigend, nach der Mutter-und-Kind-Blase wieder draussen zu sein.»
Endlich konnte auch die grosse Schwester ihr Schwesterchen begutachten. Ausser der Hebamme, ebenfalls mit Maske, kam bisher niemand bei der Familie in Zürich vorbei. Das war so geplant, die Grosseltern würden am liebsten sofort erscheinen, aber noch befinden wir uns in anderen Zeiten. Der Besuch ist für die kommenden Wochen geplant. Vater Tiago Vicente hat zwei Wochen Urlaub, danach wechselt der Biotechnologie-Ingenieur wieder ins Homeoffice. «Mal schauen, wie das gehen wird», sagt Burri, die als Supplier-Specialist Pharmamarkt arbeitet.
Derweil trinkt, schläft und füllt Olivia die Windeln, als wäre alles ganz normal.