Auf einen Blick
Beat Röthlisberger (56) kennt das Geschäft. Der CEO von Postfinance hat sich sein Berufsleben lang mit Unternehmensfinanzierungen beschäftigt. Zuerst bei der UBS, dann bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank. Seit Juli 2024 steht er nun an der Spitze der Finanztochter des gelben Riesen.
Dennoch wurde bisher kaum wahrgenommen, dass er vor einer Woche eine brisante Aussage zu diesem Thema machte. An einer Konferenz in Zürich liess er die versammelte Bankenelite des Landes wissen: «Postfinance hat die Fähigkeiten und die Mittel, bei der Unternehmensfinanzierung die Lücke zu schliessen, welche die CS hinterlassen hat. Die Mittel, die wir heute in ausländische Obligationen investieren müssen, könnten wir dem Werkplatz Schweiz zur Verfügung stellen, damit hier Wertschöpfung mit Schweizer Spargeldern entsteht. Wir wären rasch dazu in der Lage.»
Ein Blick in die Bilanz und eine Nachfrage bei der Postfinance-Medienstelle zeigt: Da geht es um richtig viel Geld. Insgesamt 25 Milliarden Franken investiert der staatlich kontrollierte Finanzkonzern in ausländische Obligationen. Das entspricht einem grossen Teil der Spargelder, die Kundinnen und Kunden bei Postfinance deponiert haben. Doch im Gegensatz zu allen anderen Banken ist es Postfinance verboten, die Guthaben ihrer Kunden als Hypotheken zu vergeben – oder eben als Firmenkredite.
«Im KMU-Finanzierungsmarkt relevanter werden»
Der Banker lässt keinen Zweifel daran, dass Postfinance das Zeug dazu hat: «Angesichts des hohen Marktanteils an KMU-Kunden und der ausgewiesenen Kompetenz als Marktführerin im Zahlungsverkehr ist Postfinance prädestiniert, im Schweizer KMU-Finanzierungsmarkt relevanter zu werden», bestätigte Röthlisberger nach seinem Auftritt an der Konferenz schriftlich auf Social Media.
Denn er ist überzeugt, damit einen Beitrag für das Unternehmertum und die Schweizer Volkswirtschaft zu leisten. «KMU könnten auch künftig Zugang zu preislich vernünftigen Finanzierungen erhalten.» Derzeit ist das allerdings infrage gestellt. Seit dem Zusammenbruch der Credit Suisse spielt der Wettbewerb nicht mehr wie früher. Wie Blick mehrfach berichtete, klagen viele Unternehmer über eine Ausweitung der Margen bei den Banken.
Es wäre zu einfach, die Schuld allein bei der UBS zu suchen. Auch andere Kreditgeber weiteten im Windschatten der grössten Schweizer Bank ihre Margen massiv aus. Niemand will den Preisbrecher spielen. Die mächtige Zürcher Kantonalbank etwa hat andere Prioritäten, als Kapital für Firmenkredite bereitzustellen. Sie will lieber das Geschäft mit reichen Privatkunden ausbauen, wie ihr Chef Urs Baumann diese Woche sagte. Postfinance könnte tatsächlich für mehr Wettbewerb sorgen.
Das grosse Problem: Dazu müsste zuvor Artikel 2 Absatz 3 des Postorganisationsgesetzes gestrichen werden. Dort ist festgehalten, dass die Post «keine Kredite und Hypotheken an Dritte vergeben» darf. Bisher scheiterten jedoch alle politischen Vorstösse, die Posttochter von diesen Fesseln zu befreien – zuletzt im Herbst 2022: Damals beschlossen beide Kammern des Parlaments, nicht auf die vom Bundesrat beantragte Aufhebung des Kreditverbots einzutreten. Damals lag die Credit Suisse bereits im Sterben.
Den idealen Zeitpunkt verpasst
Und seit dem Hinschied der Grossbank hatte niemand mehr den Mut, das Thema auf die Agenda zu setzen. Dabei wäre der Zeitpunkt ideal gewesen. Denn gegen eine partielle Aufhebung – Firmenkredite ja, Hypotheken für Privatkunden nein – hätten sich angesichts der völlig veränderten Bankenlandschaft auch bürgerliche Politiker kaum wehren können.
Natürlich käme eine Lockerung des Kreditverbots auch der Postfinance selbst zugute. Die Posttochter kämpft – wie der ganze Konzern – seit Jahren mit tiefgreifenden strukturellen Problemen. Sie muss die Verluste aus dem Rückgang der Überweisungen am Postschalter verkraften und kann im Zinsgeschäft kaum profitieren. Gleichzeitig musste sie als systemrelevante Bank höhere Kapitalpuffer aufbauen. Die Folge sind seit Jahren sinkende Gewinne. Im ersten Halbjahr 2024 schrumpfte der Gewinn auf 64 Millionen Franken.
Das ist besonders brisant, weil Postfinance trotz aller Schwierigkeiten nach wie vor der wichtigste Gewinnlieferant des gelben Riesen ist. Doch wie geht die Postführung mit ihrer Geldmaschine um? Roberto Cirillo (53), der scheidende Konzernchef, hat sich nie für seinen Finanzarm interessiert. «Es ist kein Geheimnis, dass Cirillo und der langjährige Postfinance-Chef Hansruedi Köng das Heu nicht auf der gleichen Bühne hatten», sagt ein Insider.
Das zeigte sich auch daran, dass Cirillo – anders als seine Vorgänger – nicht selbst im Verwaltungsrat der Postfinance Einsitz nahm, sondern Nicole Burth (52) dorthin entsandte. Burth verantwortet bei der Post den umstrittenen Bereich Kommunikationsservices. Unter ihrer Leitung hat die Post zahlreiche Firmen aufgekauft und ist immer weiter in Bereiche vorgedrungen, in denen sie den Privaten Konkurrenz macht.
Dabei verdient die Post nicht einmal Geld damit. Im letzten Jahr fuhr Nicole Burth einen Verlust von 72 Millionen Franken ein. Der durch die wilden Zukäufe entstandene Goodwill beläuft sich inzwischen auf beängstigende 531 Millionen Franken. Dazu ein Post-Insider: «Statt das Geld in unrentable Firmen zu stecken, hätte die Post es lieber der Postfinance gegeben, die es gewinnbringend hätte anlegen können.»
Post-Präsident Christian Levrat (54) will demnächst einen neuen Konzernchef präsentieren. Bleibt zu hoffen, dass der oder die Neue auch etwas von Bankgeschäften versteht. Denn: Hat Postfinance den Husten, liegt der ganze Postkonzern im Bett.