Aussergewöhnlich sind binationale Ehen längst nicht mehr, im Gegenteil. Laut den aktuellsten Angaben des Bundesamts für Statistik sind zwei von fünf Ehen, die Schweizerinnen und Schweizer eingehen, binational. Sie sind das Resultat von politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen, beeinflusst durch kürzere Reisezeiten, fortschreitende Digitalisierung und vereinfachte Kommunikation. Mit der zunehmenden Globalisierung steigt ihre Zahl weiter. Seit Ende der 80er-Jahre sank der Anteil von Ehen zwischen Schweizern von über 70 auf 48 Prozent im Jahr 2016. In grossen Städten kommen binationale Eheschliessungen häufiger vor als in ländlichen Gebieten, weil sich ausländische Staatsangehörige eher in Zentren und Agglomerationen niederlassen als in einem Bauerndorf.
Zugenommen haben auch die Eheschliessungen zwischen Ausländern. Die Zahl der in der Schweiz geschlossenen binationalen Ehen blieb in den letzten 15 Jahren hingegen etwa gleich.
Binationale Ehen sind nicht scheidungsanfälliger
Binationale Ehen sind entgegen allen Vermutungen nicht scheidungsanfälliger als andere. Die Scheidungsrate hat sich gesamtschweizerisch seit 2000 mehr als verdoppelt. Vergleicht man die Anzahl Scheidungen von Schweizer Paaren mit jenen von binationalen Ehen, fällt auf, dass binationale Ehen (Scheidungsrate 45%) etwas besser halten als Schweizer Ehen (50%).
Bemerkenswert: Im Zeitraum von 2012 bis 2016 haben Scheidungen zwischen Schweizern und Ausländerinnen von 3376 auf 2958 abgenommen, Scheidungen zwischen Ausländern und Schweizerinnen dagegen von 2676 auf 3004 zugenommen.
Scheinehen lassen sich kaum beweisen
Ein spezieller Aspekt dieser Thematik sind Scheinehen. Schätzungen des Bundesamts für Migration gehen von rund 1000 mutmasslichen Scheinehen jährlich aus, bei jährlich aktuell rund 42'000 Ehen. Beweisen lassen sie sich im strengen Sinne nicht, doch gibt es deutliche Indizien: Wenn die Ausweisung des ausländischen Partners droht; wenn ein grosser Altersunterschied vorliegt oder eine sehr kurze Bekanntschaft; wenn es keine gemeinsame Sprache oder Wohnung gibt.
Scheinehen sind strafbar. Wer eine eingeht, fördert oder vermittelt, kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder zu einer Busse verurteilt werden. Wer damit Geld verdient, dem drohen sogar bis zu fünf Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe.
Mister Schweiz Sandro Cavegn (32) ist seit zweieinhalb Jahren mit Iva (31) aus Kroatien verheiratet
Inzwischen arbeitet er als Kaufmann und ist Vater von zwei Töchtern: Amélie (2) und Ella (3 Monate). Sie werden dreisprachig aufwachsen. «Die Muttersprache meiner Frau, die seit fünf Jahren in der Schweiz lebt, ist Kroatisch. Ich spreche Deutsch und Rätoromanisch.»
Ans Hochdeutsche gewöhnt
Diskussionen werden aber auf Hochdeutsch geführt. «Weil Hochdeutsch weder meine Muttersprache noch die meiner Frau ist», erklärt Cavegn. Er könnte mittlerweile auch problemlos Schweizerdeutsch mit ihr sprechen, «aber irgendwie hat man sich an das Hochdeutsche gewöhnt, und so ist keiner im Vorteil.» Nur halb schweizerisch ist bei Cavegns hingegen die Esskultur.
«Einerseits ist der Termin mittags um zwölf Uhr fix, abends variiert die Essenszeit aber nach Lust und Laune. Wir geniessen es, Freunde und Bekannte bei uns zu haben, und die Tischrunden sollen möglichst gross sein.» Problematisch ist zwischen Sandro und Iva weniger die unterschiedliche geografische, als manchmal die soziale Herkunft und ihr Stadt-Land-Gegensatz: «Meine Frau kommt aus dem Herzen einer Metropole, und ihre Eltern sind beide Lehrer. Meine Eltern sind Arbeiter.» Bei Gesprächen und Diskussionen führe seine Frau die feinere Klinge.
Pädagogik gegen Logik
«Ich dagegen bringe die Sachen so auf den Tisch, wie sie gesagt werden müssen. Ich nenne das Pädagogik gegen Logik», schmunzelt Cavegn. Iva hat keine Mühe, mit Mann und Familie in Rapperswil SG zu leben. Sie wechselte schon als Kind öfters den Wohnort. «Ich aber liebe unsere kleine Stadt am Zürichsee», sagt Sandro Cavegn, «und kann mir irgendwie nicht vorstellen, von hier wegzuziehen, obwohl ich ein sehr abenteuerlustiger Mensch bin. Der Sicherheitsgedanke und die guten Arbeitsbedingungen sind für mich als Familienvater ausschlaggebend.»
So war die Heimat seiner Frau für Cavegn das Ferienland der letzten Jahre. «Für mich ein traumhaftes Land mit köstlichem mediterranem Essen. In der Stadt Zagreb, so schön diese auch ist, könnte ich aber nicht leben. Ich könnte aber auch nicht in Zürich wohnen. Die Kultur behagt mir nicht. Was ich mir allenfalls vorstellen könnte: über längere Zeit in Kroatien an der Küste zu wohnen. Das ist sogar ein Ziel für mich.»
«Natürlich wären viele Dinge einfacher mit jemandem, der hier aufgewachsen ist», meint Sandro Cavegn. «Ich bin aber auch glücklich darüber, dass meine Kinder zwei verschiedene Weltanschauungen mitbekommen.»
Leichtathlet Dave Dollé (48) ist Amerikaner, seine Frau Romy (47) kommt aus dem Glarnerland
Ich fühlte mich schon immer sehr verbunden mit diesem Land.» In der Schweiz feierte der Bilderbuchathlet seine grössten sportlichen Erfolge: Er hielt bis 2016 den Schweizer Rekord im 100-Meter-Lauf. Mit seiner Frau Romy (47) und dem zwölfjährigen Sohn Ray wohnt er in Zumikon ZH.
Auf den Teller kommt bei den Dollés nur, was roh gegessen werden kann. «Wir ernähren uns nach dem Paleo-Prinzip, das sich am Speiseplan unserer Vorfahren aus der Steinzeit orientiert. Will heissen: saisonales und regionales Gemüse, Fisch und Fleisch, aber keine glutenhaltigen Getreide, Hülsenfrüchte oder industriell verarbeitete Produkte.»
Mit seiner Herkunft habe das jedoch nichts zu tun, betont der Familienvater. In der Famlie gebe es einfach Rituale, auch was die Sprache betrifft: «Unser Sohn Ray wächst zweisprachig auf. Meine Muttersprache ist Englisch und so rede ich auch mit meinem Sohn. Er antwortet in beiden Sprachen. Mit meiner Frau spreche ich aber nur Deutsch und sie wiederum mit Ray ebenfalls Deutsch.» Für Ray sei das nichts Aussergewöhnliches.
Romy könnte sich vorstellen, mal in den USA zu leben
Und gestritten wird, wenn überhaupt, in deutscher Sprache: «Ich gebe es ja zu, oft spiele ich den typisch hilflosen amerikanischen Mann oder verhalte mich gelegentlich zu egoistisch», schmunzelt Dave. Dass er eine Schweizerin aus den Glarner Bergen geheiratet habe, sei Zufall gewesen: «Ich arbeitete im Fitness-Center, sie war Member, ganz klassisch.»
Die verschiedenen Kulturen, in denen die Partner aufwuchsen, habe nie eine Rolle gespielt – im Gegenteil: «Auch Romy könnte sich vorstellen, mal in den USA zu leben.» Ihr Daheim sei aber ganz klar die Schweiz – obwohl, irgendwann mal eine Zeitlang im Ausland zu leben, sei durchaus eine Option.
Zirkusprinzessin Géraldine Knie (44) ist seit acht Jahren mit dem Italiener Maycol (33) verheiratet
Internationalität gehört im Zirkus zum Alltag. Binationale Ehen sind die Regel. «Die Liebe fragt nicht nach der Nationalität. Aber obwohl wir in der Zirkusfamilie sehr multikulturell leben, sind wir doch sehr schweizerisch. Unsere Familiensprache ist Schweizerdeutsch, dies ist ja auch meine Muttersprache. Aber natürlich sprechen wir zu Hause oft auch Italienisch.» Die kleine Chanel antworte mal auf deutsch, mal auf italienisch oder rede französisch mit ihrer Grossmutter Mari-José Knie (69) und portugiesisch mit ihrem Kindermädchen.
Konflikte werden aber auf Schweizerdeutsch ausgetragen. «Obwohl wir quasi 24 Stunden am Tag zusammenleben und zusammenarbeiten, streiten wir sehr selten. Und wenn, dann in Schweizerdeutsch. Und über ganz alltägliche, banale Sachen. Dies hat mit unserer jeweiligen Kultur nichts zu tun», sagt Géraldine Knie.
Offen gegenüber allen Religionen
Was die Religion betrifft, ist die Familie Errani-Knie eher unkonventionell. Sie leben konfessionslos, was für einen Italiener ungewöhnlich ist. «Wir sind offen gegenüber allen Religionen, Kulturen und Werten und geben das auch so an unsere Kinder weiter. ‹Leben und leben lassen› ist unser Motto.»
Besonders schön sei, dass auch Maycols Eltern und seine Brüder in der Schweiz wohnen: «Es ist wunderbar, auch seine Familie hier vor Ort in unserer Nähe zu haben.» In einem anderen Land zu leben, sei für sie logischerweise keine Option: «Die Kinder fühlen sich sehr wohl in der Schweiz, wir schätzen es alle, von beiden Kulturen zu profitieren.»
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