Kommissionspräsident Heinz Brand (SVP/GR) sprach am Freitag vor den Bundeshausmedien von einem Kompromiss. Diesem stimmten letztlich alle Fraktionen mit Ausnahme der SVP zu. In der Schlussabstimmung wurde die Gesetzesänderung mit 16 zu 9 Stimmen angenommen.
Vorgesehen sind laut Brand drei Stufen von Massnahmen. Zunächst muss der Bundesrat dafür sorgen, dass das inländische Arbeitskräftepotenzial besser genutzt wird. Dadurch soll die Zahl der Arbeitslosen reduziert und der Hunger der Wirtschaft nach ausländischen Arbeitskräften etwas gedämpft werden.
In einem zweiten Schritt kann der Bundesrat anordnen, dass Arbeitgeber offene Stellen zunächst dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) melden müssen. Eine Pflicht zur Anstellung inländischer Arbeitskräfte ist damit nicht verbunden. Dieser so genannte «Inländervorrang light» kommt zum Zug, sobald die Zuwanderung ein bestimmtes Niveau überschreitet.
Die Grenze wird vom Bundesrat unter Berücksichtigung der Wirtschaftsentwicklung, der Arbeitslosigkeit und der Löhne festgelegt. Nach Ansicht der Verwaltung und der Kommission sei diese Meldepflicht mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar, sagte Kurt Fluri (FDP/SO), der sich in der Kommission für das Modell stark gemacht hatte. Das bestätigte auch SPK-Präsident Heinz Brand.
Als dritte Stufe kann der Bundesrat bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen «geeignete Abhilfemassnahmen» beschliessen. Diese dürften aber nur mit Zustimmung der EU in Kraft gesetzt werden. Stimmt der gemischte Ausschuss zu, könnte die Schweiz auch Höchstzahlen einführen.
Als einseitige Massnahme sind Kontingente in den Anträgen der Kommission jedoch nicht vorgesehen. Damit weicht sie stark von den Vorschlägen des Bundesrats ab. Dieser hat für den Fall, dass mit der EU keine Einigung zu Stande kommt, eine einseitige Schutzklausel vorgeschlagen. Bei Überschreitung eines bestimmten Schwellenwertes würde die Zuwanderung damit zahlenmässig begrenzt.
Die Entscheide der Kommission überraschen. Die CVP hatte im Vorfeld erklärt, eine Variante mit Höchstzahlen als letztes Mittel zur Diskussion zu stellen. Wenn die Vertreter der CVP-Fraktion in der Kommission geschlossen gestimmt hätten, wäre zusammen mit den Stimmen der SVP eine Mehrheit für das Modell zusammengekommen. Nach Auskunft von Kommissionsmitglied Gregor Rutz (SVP/ZH) wurde darüber aber letztlich gar nicht abgestimmt.
Damit setzte sich das Modell Fluri durch. «Wir wollen die Zuwanderung indirekt beschränken», erklärte er. Seiner Meinung nach könnte die Meldepflicht dazu führen, dass 5000 bis 10'000 ausländische Arbeitskräfte weniger in die Schweiz kommen.
Dass mit der Massnahme die Initiative nicht wirklich umgesetzt wird, bestreitet Fluri nicht. «Für uns war von Anfang an klar, dass eine wörtliche Umsetzung nicht möglich ist», sagte er. Er verwies auch auf die im Verfassungstext erwähnten gesamtwirtschaftlichen Interessen. Es sei darum das Ziel gewesen, die Initiative so umzusetzen, dass das Freizügigkeitsabkommen mit der EU nicht verletzt werde.
Für die SVP ist das inakzeptabel. Die Verfassung verlange eine eigenständige Steuerung der Migration, sagte Rutz. Das sei nicht möglich, wenn es dafür das Einverständnis der EU brauche. Auch die mit der Zuwanderung verbundenen Probleme würden dadurch nicht gelöst.
Ob die SVP gegen die Gesetzesänderung das Referendum ergreifen oder gar eine Durchsetzungsinitiative lancieren wird, liess Rutz offen. Es gelte zunächst die Session abzuwarten. Der Nationalrat diskutiert in der zweiten Woche der Herbstsession über die Vorlage.
Volk und Stände hatten die Masseneinwanderungsinitiative der SVP am 9. Februar 2014 angenommen. Diese verlangt, dass die Schweiz die Zuwanderung mit Kontingenten und einem Inländervorrang steuern muss. Die Frist für die Umsetzung beträgt drei Jahre, läuft also im nächsten Februar aus.
Beschliesst das Parlament bis dahin keine Umsetzung, muss der Bundesrat den Verfassungsauftrag vorläufig mit einer Verordnung umsetzen. Zudem müssen völkerrechtliche Verträge, die im Widerspruch zum neuen Verfassungsartikel stehen, ebenfalls innerhalb von drei Jahren neu verhandelt und angepasst werden.
Das betrifft in erster Linie das Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Diese hat der Schweiz aber bisher keine Verhandlungen über die Änderung des Abkommens zugestanden.
Ob eine Einigung innerhalb des Abkommens zu Stande kommt, die eine einvernehmliche Umsetzung des Verfassungsauftrags erlauben würde, ist derzeit noch offen. Mit dem Entscheid der Kommission hat sich die Verhandlungsposition der Schweiz allerdings nicht verbessert: Die EU hat nun keinen Grund mehr für Zugeständnisse.