Am Dienstag schloss die Kommission die dritte Beratungsrunde zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels ab. Noch habe sie sich nicht für ein Konzept entschieden, sagte Kommissionspräsident Peter Föhn (SVP/SZ) nach der Sitzung. Die Abstimmung findet am kommenden Montag statt. Dann soll auch die Öffentlichkeit über die Marschrichtung der SPK informiert werden.
Laut Föhn stehen im Wesentlichen vier Konzepte zur Diskussion. Jenes, das er selber eingebracht hat, verlangt eine wortgetreue Umsetzung der SVP-Initiative mit Kontingenten und Inländervorrang. Die Vorschläge des Bundesrat gehen in eine ähnliche Richtung. Höchstzahlen sollen aber erst bei Überschreitung eines bestimmten Schwellenwerts gelten. Beide Varianten diskriminieren EU-Bürger gegenüber Arbeitskräften aus dem Inland und verletzen damit das Freizügigkeitsabkommen.
Anders die vom Nationalrat beschlossene Meldepflicht für offene Stellen: Zwar sorgte auch dieser so genannten «Inländervorrang light» für dicke Luft in Brüssel. Staatssekretär Mario Gattiker musste EU-Vertretern letzte Woche während Stunden Rede und Antwort stehen. Weil die Meldepflicht aber kaum Auswirkungen hätte, müsste die Schweiz letztlich wohl keine Konsequenzen befürchten.
Diese Lösung hat den Makel, dass sie den Zuwanderungsartikel nur ansatzweise umsetzt. Der Aargauer FDP-Ständerat Philipp Müller (AG) stellte daher eine Verschärfung zur Diskussion: Arbeitgeber sollen den Arbeitsvermittlungsbehörden offene Stellen nicht bloss melden müssen. Sie sollen inländische Bewerber auch tatsächlich zu einem Gespräch einladen. Ablehnungen müssten sie gegenüber den Behörden begründen.
Über diese Variante wurde letzte Woche in Brüssel nicht diskutiert, da die Anträge offiziell noch geheim sind. Über die Haltung der EU kann also nur spekuliert werden. Es liegt aber auf der Hand, dass jede Verschärfung in Brüssel schlecht aufgenommen wird. Das hat politische Gründe, weil angesichts des Brexit der Anschein der Nachgiebigkeit vermieden werden soll.
Die strengere Umsetzung des Zuwanderungsartikels könnte aber auch zu rechtlichen Problemen führen. Die Europarechtlerin Astrid Epiney beurteilte die Einladungs- und die Begründungspflicht in einer ersten Einschätzung als problematisch. Es könnte sich um eine indirekte Diskriminierung von Unionsbürgern handeln, erklärte sie der sda. Eine Rechtfertigung sei nicht ersichtlich, da es nur um den Schutz des einheimischen Arbeitsmarktes gehe.
Die Europarechtlerin Christa Tobler kommt zu einem anderen Schluss. Ihrer Meinung nach könnte Müllers Umsetzungsvariante «gerade noch zulässig sein», wie sie auf Anfrage mitteilte. Die Massnahmen führten zwar zu einer Ungleichbehandlung, weil nur Inländerinnen und Inländer profitierten. Diese dürfte aber durch das Ziel gerechtfertigt sein, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Diese Haltung hat Tobler auch in der Anhörung der SPK vertreten. Doch nicht deshalb, sondern aufgrund der Mehrheitsverhältnisse haben Müllers Vorschläge gute Aussichten auf Erfolg. Zusammen mit der SP, die die Stossrichtung offenbar unterstützt, hat die FDP im Ständerat eine komfortable Mehrheit.