Genau das wollte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann vermeiden. Darum beauftragte er kurz vor Weihnachten Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit, die Sozialpartner noch einmal an einen Tisch zu bringen. Sie sollten sich im Hinblick auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative über eine Stärkung der flankierenden Massnahmen einigen. Dafür gab ihnen Schneider-Ammann bis Ende Februar Zeit.
Die Sozialpartner brauchten nicht die ganze Frist, um festzustellen, dass es keine einvernehmliche Lösung gibt, wie der Tages-Anzeiger schon letzte Woche berichtete. Von beiden Seiten ist zu hören, dass die Gespräche ohne Ergebnis abgebrochen worden sind. «Die Arbeitsgruppe konnte sich nicht einigen», sagte Unia-Präsidentin Vania Alleva der Nachrichtenagentur sda. Bei einem Teil der Arbeitgeber gebe es grossen Widerstand gegen die Verstärkung der flankierenden Massnahmen.
Das ist keine Überraschung, denn in dem Streit gibt es nun seit drei Jahren keine Lösung. Schneider-Ammann und Justizministerin Simonetta Sommaruga hatten bereits 2013 eine Arbeitsgruppe mit dem gleichen Auftrag eingesetzt. Diese konnte sich nicht einigen, zumindest nicht rechtzeitig, um die gewerkschaftlichen Zweifler an Bord zu holen und am 9. Februar 2014 für ein Abstimmungsresultat im Sinne des Bundesrats zu sorgen.
Als die Arbeitsgruppe ihren Bericht dann mit einigen Wochen Verspätung vorlegte, lagen verschiedene handfeste Vorschläge auf dem Tisch. Über einen davon, die höheren Bussen bei Verstössen gegen minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen, entscheidet der Nationalrat in der Frühlingssession. Die übrigen hat der Bundesrat letztes Jahr auf Eis gelegt.
In der Vernehmlassung hatte sich die Wirtschaft vor allem gegen die erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen gesträubt. Aber auch die Möglichkeit, eine Allgemeinverbindlichkeit zu verlängern, sowie die Voraussetzungen zur Verlängerung eines Normalarbeitsvertrages fielen durch.
Die gleichen Vorschläge lagen nun noch einmal auf dem Tisch der Sozialpartner. Für Fredy Greuter, Sprecher des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, eine schwierige Ausgangslage für eine Einigung. Man könne das nach einem halben Jahr noch einmal zur Diskussion stellen, sagte er. «Aber wenn sich die Ausgangslage nicht verändert hat, muss man damit rechnen, dass auch das Resultat das gleiche ist.»
Offenbar hat der Druck des Bundesrats nicht ausgereicht, um die verhärteten Fronten aufzuweichen. Darum ist die Regierung nun wieder selber am Zug. Für sie ist die Stärkung der flankierenden Massnahmen ein tragender Pfeiler bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Bis am 18. März erwartet der Bundesrat nun konkrete Vorschläge von Schneider-Ammann.
Dem erklärten Anhänger sozialpartnerschaftlicher Lösungen sind solche hoheitlichen Eingriffe in den Arbeitsmarkt ein Gräuel. Es ist darum denkbar, dass Schneider-Ammann dem Bundesrat empfiehlt, auf eine Stärkung der flankierenden Massnahmen zu verzichten. Ob er sich damit durchsetzen könnte, ist ungewiss, trotz neuer Zusammensetzung des Siebnergremiums.
Doch der Druck ist gross. Ohne Stimmen von Links wäre die Masseneinwanderungsinitiative nicht angenommen worden. Und ohne die geschlossene Unterstützung der Linken ist eine tragfähige Umsetzung kaum denkbar. Auch die Gewerkschaften stehen zu den bilateralen Verträgen - sofern sie den Arbeitnehmenden nützen.
Die Verstärkung der flankierenden Massnahmen sei entscheidend, sagte Alleva. Die Abstimmung über die Initiative habe gezeigt, dass viele Arbeitnehmende verunsichert seien, gerade ältere. «Diese Verunsicherung muss man ernst nehmen, darum braucht es stärkere Schutzmassnahmen.»
Dabei gehen die Vorstellungen der Gewerkschaften weit über die ursprünglichen Vorschläge des Bundesrats hinaus. Im November haben die Delegierten des Gewerkschaftsbunds einen langen Forderungskatalog verabschiedet. Dieser umfasst unter anderem zusätzliche Kontrollen, mehr Prävention, Bussen für Arbeitgeber bei Scheinselbständigkeit oder ein stärkerer Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmende. Bei den Arbeitgebern haben die Gewerkschaften damit auf Granit gebissen.