Zuwanderung
Annäherung bei Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative

Die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative geht in die heisse Phase. Der kleinste gemeinsame Nenner scheint gefunden: Arbeitgeber sollen offene Stellen zuerst den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) melden müssen.
Publiziert: 11.08.2016 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:42 Uhr
Der kleinste gemeinsame Nenner für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative scheint gefunden: Arbeitgeber sollen offene Stellen zuerst den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) melden müssen. (Symbolbild)
Foto: Keystone/GAETAN BALLY

Seit Monaten wird über Schutzklauseln diskutiert, Formeln von ETH-Professor Michael Ambühl machen die Runde, Varianten des Inländervorrangs werden gegeneinander abgewogen. Dabei ist nicht immer klar, was mit den Begriffen überhaupt gemeint ist.

Nun, drei Wochen vor der entscheidenden Sitzung der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats, haben FDP und CVP offenbar einen Minimalkonsens erreicht. «Wir haben uns über den Inländervorrang geeinigt», sagte der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri der Nachrichtenagentur sda.

Diese Einigung erstreckt sich allerdings nur auf die mildeste Form des Inländervorrangs, nämlich die Meldung offener Stellen ans RAV. Während einer bestimmten Frist, zum Beispiel während zweier Wochen, wäre die Ausschreibung nur für am RAV gemeldete Personen ersichtlich. «Das RAV ist die Drehscheibe, die am besten Bescheid weiss über den Arbeitsmarkt», erklärte Fluri.

Die Meldepflicht soll nur für jene Berufe, Branchen und Regionen gelten, in welchen es besonders grosse Probleme gibt. Mit den Kriterien, wann die Massnahme greift, möchte Fluri das Gesetz aber nicht belasten. Das muss seiner Meinung nach in der Verordnung geregelt werden.

Damit hat es mit der Einigkeit der beiden Mitte-Parteien schon ein Ende. Die CVP hält am Schutzklausel-Modell fest, das Ambühl für den Kanton Tessin erarbeitet und im Auftrag der Kantonsregierungen verfeinert hat. Es handelt sich um einen Mechanismus, der unter vorab definierten Bedingungen lokale oder branchenspezifische, nötigenfalls aber auch flächendeckende Schutzmassnahmen auslöst.

Vorgesehen sind Spielarten des Inländervorrangs. Neben der RAV-Meldung könnten das eine Einzelfallprüfung sein, Listen mit Mangelberufen oder eine Meldepflicht an die Behörden. Soweit diese Massnahmen EU/EFTA-Angehörige gegenüber Inländerinnen und Inländern diskriminieren, wäre eine Einigung mit der EU nötig.

Höchstzahlen sind in Ambühls so genannter Bottom-up-Schutzklausel nicht vorgesehen. Der Tessiner CVP-Nationalrat Marco Romano, der sich in der Kommission für das Modell eingesetzt hat, schliesst Kontingente als letzte Möglichkeit jedoch nicht aus. Es sei nicht Aufgabe des Parlaments zu sagen, welche Schutzmassnahmen nötig seien. «Das wissen Kantone, Wirtschaft und Sozialpartner besser.»

Für die FDP kommen Kontingente nicht in Frage, wie Fluri betonte. Und die SP ist ohnehin gegen jede Massnahme, die die bilateralen Verträge gefährdet. Dazu gehöre auch die Bottom-up-Schutzklausel, sagte der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth. In Frage komme allenfalls die Meldung ans RAV. «Das ist die einzige Massnahme, die ohne Einigung mit der EU kompatibel mit dem Freizügigkeitsabkommen ist.»

Die Stimmen der SP könnten dieser Lösung im Nationalrat zum Durchbruch verhelfen. Doch auch der Ansatz der CVP hat Chancen auf Erfolg. Dafür müsste sich die SVP jedoch geschlossen hinter eine Umsetzung stellen, die die Steuerung der Zuwanderung den Kantonen und der Wirtschaft überlässt.

Ob es dazu kommt, ist ungewiss. Die Gespräche unter den bürgerlichen Parteien seien voll im Gang, sagte der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz. In der Kommission müsse zuerst die ganze Breite der Anträge gesichtet werden, bevor man sehe, ob eine Einigung möglich sein. Parteipräsident Albert Rösti (BE) erklärte, die SVP helfe nur dann mit, Mehrheiten zu bilden, wenn die Anträge in ihrem Sinn seien.

Es gibt jedoch bereits Anzeichen, dass der SVP der Spatz in der Hand lieber ist als die Taube auf dem Dach. Wenn das Parlament das geltende Recht nur leicht verschärfe, sei dies zwar eine gravierende Verletzung des Volkswillens, aber immer noch besser als die heutige Gesetzeslage, sagte der Zuger Nationalrat und SVP-Vizepräsident Thomas Aeschi dem «Blick». Rösti kündigte gar an, dass die SVP unter Umständen auf ein Referendum verzichten könnte.

Die Staatspolitische Kommission wird sich an ihrer dreitägigen Sitzung ab Ende August auch mit der Vorlage des Bundesrats befassen müssen. Die Regierung schlägt dem Parlament ein Kontingentssystem vor, das bei Überschreitung eines Schwellenwerts in Kraft gesetzt würde. Das geht der SVP zu wenig weit, während SP und FDP Höchstzahlen ablehnen. Der Vorschlag des Bundesrats scheint damit zum Scheitern verurteilt.

Eine schwache Hoffnung ruht noch auf den Gesprächen mit der EU. Laut Bundespräsident Johann Schneider-Ammann findet derzeit ein intensiver Austausch auf technischer Ebene statt. Am 19. September, also mitten in der Herbstsession der eidgenössischen Räte, trifft er EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Zürich.

Es ist die allerletzte Gelegenheit für die Aussicht auf eine einvernehmliche Lösung, bevor das Parlament Nägel mit Köpfen machen muss. Die Frist für die Umsetzung der Initiative läuft am 9. Februar 2017 aus. Gemäss Quellen in der Verwaltung scheint es derzeit möglich, dass Brüssel der Schweiz einen kleinen Schritt entgegenkommen könnte.

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