Zuerst die Banken, jetzt die Fifa
In den Fängen der Amerikaner

Langt die US-Justiz einmal zu, lässt sie nicht locker, bis sie am Ziel ist. Bis die Verantwortlichen im Gefängnis schmoren. Ihr Ziel sind dabei die Chefs, nicht etwa die Handlanger. Sepp Blatter scheint sich dessen bewusst zu sein und verlässt die Schweiz vorerst nicht.
Publiziert: 03.06.2015 um 19:24 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:36 Uhr
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Von Peter Hossli

Sepp Blatter werde «vorerst bestimmt nirgendwohin ausreisen», sagte gestern Fifa-Sprecher Walter De Gregorio. Der Fifa-Präsident verlässt die Schweiz nicht, weil er den langen Arm der amerikanischen Justiz fürchtet. Zu Recht, denn das FBI ermittelt gegen ihn. US-Justizministerin Loretta Lynch (56) hat angekündigt, weitere Personen im Umkreis der Fifa anzuklagen. Blatter könnte dazugehören. «Das kommentieren wir nicht», heisst es bei der Fifa zur Frage, ob sich Blatter (79)  bereits einen Strafverteidiger in den USA genommen hat.

Gross ist die Nervosität am Zürichberg im Hauptsitz des Weltfussballverbandes. Überstürzt trat Blatter vorgestern vom Amt des Fifa-Präsidenten zurück, vier Tage nach seiner Wiederwahl. Er und Generalsekretär Jérôme Valcke (54) reisen nicht an die am Samstag startende Fussball-WM nach Kanada. Weil niemand flüchtige Personen schneller an die USA ausliefert als die Kanadier.

Klar geworden scheint Blatter: Erstmals hat der zähe Walliser einen Gegner, der zäher ist als er. Noch letzte Woche schien er die US-Justiz zu unterschätzen und witterte ein Komplott Amerikas. Sah die Anklage gegen Fifa-Funktionäre in Brooklyn als Vergeltung, weil Katar und nicht die USA die WM 2022 erhalten hatte.

Blatters Aussagen unterstreichen, wie schlecht beraten der mächtige Fussballverband ist. Wer die USA kennt, dem war sofort klar: Das ist gefährlich. Langt die US-Justiz zu, lässt sie nicht locker, bis sie ihr Ziel erreicht hat. Bis ein aus ihrer Sicht marodes System zerschlagen ist. Bis Schuldige im Gefängnis schmoren. Wobei sie die Chefs wegsperren will und nicht willfährige Handlanger.

Amerika geht stets gleich vor, nach einem fixen Drehbuch, das Schweizer Banken bestens kennen – und ebenfalls lange falsch einschätzten. Am Schluss war das Bankgeheimnis zerschlagen. Etwas, das Franzosen und Deutsche versuchten, aber erst gnadenlos wuchtigen amerikanischen Staatsanwälten gelang. Mit dem Ex-UBS-Banker Bradley Birkenfeld (50) fanden sie einen Kronzeugen. Jahrelang half er reichen Amerikanern, über UBS-Konten Geld zu verstecken. Dann lieferte Birkenfeld Berge von Beweisen an die USA. Er sang, bis er heiser war. Weil er sich dadurch Straffreiheit erhoffte und eine deftige Belohnung. Zuletzt bekam er ein paar Monate Knast und 104 Millionen Dollar.

Wie nun die Fifa unterschätzten auch Bundesrat und Banken die US-Justiz. «An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch noch die Zähne ausbeissen», sagte Finanzminister Hans-Rudolf Merz (72) im März 2008. Längst kooperierte Birkenfeld mit den USA. Seit dem Streit um die nachrichtenlosen Vermögen sollte Merz wissen: Locker lassen die USA nie.

Ständig erhöhten US-Staatsanwälte den Druck auf die Banken. Kaum wähnte sich einer in Sicherheit, streuten sie über Medien – oft die «New York Times» – belastende Details. Sie schüchterten ein, bewogen Banker, sich zu stellen, andere anzuschwärzen. Wie es jetzt mit verunsicherten Fifa-Funktionären geschieht. Oft lädt das FBI US-Reporter zu spektakulären Verhaftungen ein wie jüngst in Zürich, als sieben Fifa-Funktionäre festgenommen wurden. Gegen solch vorverurteilende Aktionen ist keiner gefeit.

Bei der Fifa halten die Amerikaner den Druck hoch. Ihr Kronzeuge ist der geständige Ex-Fifa-Mann Chuck Blazer (70). Gestern veröffentlichten die US-Behörden ein Verhörprotokoll vom Herbst 2013. Darin gesteht Blazer, dass er sich bei der Vergabe der WM 1998 und 2010 bestechen liess. Bekannt wurde auch, dass die USA die umstrittene Vergabe der WM 2018 an Russland und 2022 an Katar untersuchen. Das freut den schottischen Journalisten Andrew Jennings (72). Seit Jahren enthüllt er Ungereimtheiten im Weltfussball. Bewegt hat es nichts. «Die europäische Polizei wird nie etwas tun», sagt er zur «Washington Post». Es sei «verdammt gut, dass professionelle Ermittler involviert werden». Er meint die Amerikaner.

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