Man dürfe nicht auf die Lockerungen im Strafvollzug bei endlichen Strafen verzichten, sagte die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) am Montag vor den Medien in Zürich. Zusammen mit Verantwortlichen des Amtes für Justizvollzugs informierte sie über den Fall des nicht mehr in die Strafanstalt Pöschwies zurückgekehrten Häftlings Tobias Kuster.
«Wir müssen bei Menschen, die keine lebenslange Strafe absitzen, an diesen Lockerungen festhalten», sagte Fehr. «Auch wenn wir wissen, dass wir damit ein Risiko eingehen - es ist ein deutlich kleineres, als wenn man jemanden ohne Vorbereitung auf das Leben in Freiheit frei lässt.»
Eine der wichtigsten Aufgaben des Justizvollzugs sei es, Häftlinge auf ein deliktfreies Leben in Freiheit vorzubereiten, sagte Fehr. Pro Jahr werden im Kanton Zürich rund 500 Personen aus dem Strafvollzug in die Freiheit entlassen, pro Tag sind dies zwei bis drei Entlassungen.
«Wir wussten, dass Tobias Kuster eine sehr schwierige Person ist», sagt Fehr zu BLICK. «Er hatte eine sehr schlechte Einsicht, einen schwachen Willen, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen». Trotzdem habe man ihn auf das Ende seiner Strafe und auf ein Leben in der Gesellschaft vorbereiten müssen.
Warum hat man nach seiner Flucht nicht direkt öffentlich nach ihm gefahndet – bei dieser Uneinsichtigkeit? «Im Verlauf des Vollzugs hat sich Tobias Kuster der Therapie gestellt und grosse Fortschritte gemacht.» Es habe viele Anzeichen gegeben, dass er einen positiven Verlauf habe. Jetzt müsse man untersuchen, ob Fehler passiert seien – ob möglicherweise andere Anzeichen übersehen wurden.
Kuster hat Urlaubsbedingungen erfüllt
Tobias Kuster habe alle Voraussetzungen für einen unbegleiteten Urlaub erfüllt, sagte der Leiter des Zürcher Amtes für Justizvollzug, Thomas Manhart. Als man ihm diesen gewährt habe, sei man weder von Flucht- noch von einer anderen Gefahr ausgegangen. Der Mann habe auch schon mehrere begleitete Urlaube vertrauensvoll absolviert.
«Rückblickend müssen wir nun aber feststellen, dass wir mit der Einschätzung falsch lagen», sagte Manhart. Der 23-Jährige war am Donnerstag, 23. Juni, nicht wie vereinbart aus seinem ersten unbegleiteten, eintägigen Hafturlaub in die Justizvollzugsanstalt Pöschwies zurückgekehrt.
Weiterer Tatverdächtiger bereits in Haft
Er wird verdächtigt, am Tötungsdelikt im Zürcher Seefeld vom 30. Juni beteiligt gewesen zu sein. Nachdem Ermittlungen der Polizei am Tatort einen dringenden Tatverdacht ergeben hatten, wurde er öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben. «Vorher hatten wir keinen Anlass zu glauben, dass von dem Mann eine Gefährlichkeit ausgehe», sagte Manhart.
Ein 25-Jähriger, der ebenfalls mit dem Tötungsdelikt in Zusammenhang steht, befindet sich seit Donnerstag in Untersuchungshaft. In welcher Beziehung er und der geflohene Häftling zueinander stehen, wollte der zuständige Staatsanwalt, Adrian Kägi, vor den Medien nicht sagen. Auch bezüglich Hintergrund der Tat, Tatablauf und Motiv ist noch nichts bekannt. (SDA)