Das schöne Wetter der letzten Tage lockte die Menschen in Massen nach draussen. Restaurant-Terrassen, Parks und Uferpromenaden sind voll, das Leben kehrt zurück. Doch in den Spitälern geht der Kampf gegen Corona weiter. Im Kanton Zürich waren am Dienstag insgesamt 235 Personen Corona-bedingt hospitalisiert. 62 davon liegen auf der Intensivstation, 47 lagen müssen beatmet werden. Es sind so viele wie seit Ende Januar nicht mehr.
Das spürt auch das Kantonsspital Winterthur (KSW). Dort haben sich die Patientenzahlen innerhalb eines Monats vervierfacht. «Wir sind sehr besorgt und appellieren eindringlich an die Selbstdisziplin jedes Einzelnen, sich an die geltenden Verhaltens- und Hygieneregeln zu halten», sagen drei leitende Mitarbeitende des KSW gegenüber dem «Landboten». Die heutige Situation zeige, dass es jeden treffen kann – selbst jüngere Menschen.
«Wütend, dass sich nicht alle an die Regeln halten»
Die Warnung kommt von Martina Keller, Leiterin Pflege auf der Intensivstation, Karin Michel, Leiterin Zentrale Dienste im Departement Medizin sowie von Markus Hofer, dem leitenden Arzt Pneumologie und Leiter der Kommission für klinische Ethik. Sie alle hoffen, dass ihr Appell nicht ungehört bleibt und die Corona-Zahlen nicht noch weiter ansteigen. Denn die dritte Corona-Welle mache den Mitarbeitenden im Spital stark zu schaffen. In der vergangenen Woche wurden bereits wieder über 30 neue Corona-Patienten hospitalisiert.
«Wir sind sowohl müde, dass der Zustand bereits so lange anhält und kein Ende in Sicht ist, als auch wütend, dass sich nicht alle in der Bevölkerung an die Regeln halten und damit sich und andere gefährden», sagt etwa Karin Michel.
Junge und gesunde Menschen betroffen
In der dritten Corona-Welle trifft es nun offenbar vor allem jüngere, gesunde Menschen die keine Vorerkrankung haben. Lungenfachmann Markus Hofer bestätigt diese Entwicklung. Weil nun viele ältere Personen und Risikogruppe geimpft sind, verschiebe sich die Altersgruppe der Betroffenen.
«Die stationär behandelten Covid-Patienten sind heute durchschnittlich acht Jahre jünger als bei der zweiten Welle», sagt Hofer. Damals lag der Durchschnitt bei 67 Jahren – nun bei 59 Jahren. Und: «Gegenüber der zweiten Welle haben Covid-Patienten in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen prozentual am stärksten zugenommen», sagt er.
Psychologische Hilfe für Mitarbeiter
Nach mehr als einem Jahr Pandemie sind die Mitarbeitenden langsam erschöpft – vor allem auf emotionaler Ebene. «Ich habe meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deshalb das psychologische Angebot am KSW aktiv kommuniziert und ans Herz gelegt», sagt Martina Keller, Leiterin Pflege auf der Intensivstation, zum «Landboten». Einige hätten sich nach einem persönlichen Gespräch mit ihr an einen Spezialisten gewandt.
Kein Wunder: Laut Keller musste der hohe Pflegebedarf in der zweiten und dritten Welle durch temporäre Arbeitskräfte aufgefangen werden. Der Personalbestand sei nach wie vor zu tief, zudem gebe es noch immer einen Fachkräftemangel. (bra)