Weil es zu laut schrie
Vater erstickt 10 Wochen altes Baby in Zürich

Das streng religiöse Ehepaar Peter und Dorothee L. schlug seine zwei kleinen Töchter. Als das jüngere Mädchen (10 Wochen) nicht aufhörte zu schreien, deckte es der Vater mit einer Daunendecke und zwei Kissen zu.
Publiziert: 02.08.2015 um 05:20 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 12:38 Uhr
Der Vater hatte das Baby mit einer Daunendecke und zwei Kissen zugedeckt, um dessen Schreie zu dämpfen. (Symbolbild)
Foto: Keystone

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) wurde in der letzten Zeit immer wieder dafür kritisiert, dass sie Eltern die Kindern weggenommen hat. So zum Beispiel im Fall Flaach oder letzte Woche im Fall Kast, wo der Vater seine beiden Kinder aus dem Heim holte und mit ihrer Mutter auf die Philippinen schickte.

Jetzt zeigt ein erschreckender Fall, was passieren kann, wenn die Behörden nicht eingreifen. Denn am 18. Februar 2013 starb in Zürich-Albisrieden das nur zehn Wochen alte Mädchen K. Todesursache: Sauerstoffmangel. Der Vater, der Schweizer Peter L. (37) soll das Kind mit einer Daunendecke und zwei Kissen ruhiggestellt haben, bis es erstickte. Weil es zu laut schrie.

Schläge bei Ungehorsam

Der Fall war bislang nicht öffentlich bekannt. Am 24. September kommen nun aber der Vater und die Mutter Dorothee vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft fordert für ihn zehn Jahre Haft wegen eventualvorsätzlicher Tötung. Bei der Mutter liegt der Strafantrag bei 18 Monaten bedingt.

Wie die «Sonntagszeitung» schreibt, die den Fall heute publik gemacht hat, ist die Familie streng religiös und lebte sehr zurückgezogen. Hinter verschlossenen Türen schlugen die Eltern Peter und Dorothee L. die Töchter K. und die heute dreieinhalbjährige J. regelmässig – «aus erzieherischen Gründen, wenn sie nicht gehorchten oder aus nicht nachvollziehbaren Gründen schrien», wie es in der Anklageschrift heisst. Mit Holzkellen und Teppichklopfer schlugen sie auf die nackten Pos der Mädchen ein.

Kind war in Portugal im Heim

Die Familie wohnte seit Juli 2012 in Zürich. Zuvor lebte sie im ostdeutschen Chemniz. Von dort reisten Peter und Dorothee L. mit ihrer damals acht Monate alten Tochter J. auf die portugiesische Insel Madeira - ohne Gepäck und ohne Geld. Schon nach wenigen Tagen entzogen ihnen die Behörden das Kind und brachten es in einem Heim unter. Die Eltern kamen in ein Armenhaus.

Nach zwei Wochen bekamen sie das Kind am Flughafen zurück und stiegen in ein Flugzeug nach München. Von dort reisten sie weiter in die Schweiz. Die Familie lebte von der Sozialhilfe, wurde von Sozialarbeitern betreut. Doch das Sozialamt wusste nichts von den Vorfällen in Portugal und den Eltern gelang es, die Kindsmisshandlungen vor Betreuern, Nachbarn und Behörden zu verbergen.

Der Vater wurde nach der Tat festgenommen. Nach einigen Wochen in Untersuchungshaft kam er frei. Mitte September 2014 setzte er sich mit seiner Frau nach Deutschland ab. Wegen eines internationalen Haftbefehls wurde Peter L. verhaftet und in die Schweiz ausgeliefert. Jetzt sitzt er wieder im Gefängnis.

Missbrauch oft in abgeschotteten Familien

Die Kesb Zürich befasste sich erstmals am Tag nach dem Tod mit der Familie. Eine Nachbarin hatte die Sozialen Dienste zwar darauf hingewiesen, dass die Familie mitten im Winter einen Kinderwagen mit einem laut schreienden Baby unbeaufsichtigt im Freien stehen liess. Das Amt sah damals jedoch keine akute Gefährdung und keinen Anlass für eine Meldung an die Vormundschaftsbehörde.

Kinderschutzexperte Christoph Häfeli kennt das Phänomen. Missbrauchte Kinder stammten oft aus Familien, die sich abschotten, sagt der ehemalige Generalsekretär der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz zur «Sonntagszeitung». «Das gilt auch für streng religiöse Familien.» Darum blieben Kindsmisshandlungen oft lange unentdeckt.

Nach der anhaltenden Kritik am Kinderschutz wehrt sich Ruedi Winet, Präsident der Zürcher Kesb-Vereinigung: «Unsere ­Aufgabe ist es, die Interessen der Kinder wahrzunehmen.» In 9 von 10 Fällen, in denen die Kesb interveniere, bleibe das Kind bei der Familie. «Die versuchen wir, zu unterstützen», sagt Winet. Manchmal erhielten sie Gefährdungsmeldungen aber zu spät, wenn die Situation schon «weit eskaliert» sei. (fs/sas)

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