Das Zürcher Verwaltungsgericht hat am Montag entschieden, dass die Entlassung des Whistleblowers André Plass rechtens war. Der Herzchirurg hatte Missstände in der Klinik für Herzchirurgie des Zürcher Universitätsspital (USZ) angeprangert – und daraufhin seinen Job verloren.
Der Leiter der Klinik für Herzchirurgie, Francesco Maisano (54), soll Interessenbindungen verheimlicht haben und bei wissenschaftlichen Arbeiten Erfolge bei neuen Implantaten angepriesen haben, während er bei ebendiesen neuen Implantaten Komplikationen verschwieg. Plass hatte Maisano diesbezüglich bei der Klinikleitung verpetzt und ihn angeprangert. Ein später durchgeführtes Uni-Gutachten warf Maisano dann mehrfaches wissenschaftliches Fehlverhalten sowie Verheimlichen von Interessenbindungen vor.
Die verhärteten Fronten – manche sprachen von Intrigen unter den höchsten Herz-Chirurgen – führten 2019 zur Entlassung von Plass. Aufgrund des öffentlichen Druckes wurde er wenig später wieder eingestellt. Das USZ entliess den Whistleblower André Plass Ende September 2020 dann zum zweiten Mal. Auch der angeprangerten Leiter der Herzchirurgie Francesco Maisano und das Unispital trennten sich im März 2021 im Streit – die Atmosphäre war zu vergiftet.
Keine milderen Mittel mehr möglich
Für das Verwaltungsgericht steht fest, dass zum Zeitpunkt der zweiten Entlassung von Plass ein Konflikt bestand, in den der Entlassene massgeblich involviert war, wie aus einem am Montag veröffentlichten Urteil hervorgeht. Mildere Mittel hätten den «verhärteten» Konflikt nicht beruhigen können.
Der Whistleblower war seit 2003 am USZ tätig, zuletzt als leitender Arzt an der Klinik für Herz- und Gefässchirurgie. Laut Urteil wurde spätestens im Sommer 2019 ein Konflikt zwischen dem Whistleblower und dessen Chef offenbar.
So begann ersterer, Entscheide des Klinikdirektors gegenüber der Spitaldirektion anzuzweifeln und warf diesem vor, Eigeninteressen zu verfolgen. Das Gericht attestierte dem Entlassenen, eine «eigentliche Kampagne» gegen seinen Vorgesetzten gefahren zu haben.
Zudem beschwerte er sich auch über das Vorgehen anderer Personen - teils bis hinauf zum Bundesamt für Gesundheit (BAG). Der Whistleblower habe sich als Kontrollorgan gesehen und sich immer weiter in «diese sich selber zugedachte Rolle» hineingesteigert, heisst es im Urteil. Einer Zusammenarbeit habe er sich zunehmend verweigert.
«Toxisches Arbeitsklima»
Eine erste Kündigung machte das USZ Mitte letzten Jahres allerdings wieder rückgängig. Mehrere Mitarbeitende wehrten sich aber gegen die klinische Weiterbeschäftigung des Whistleblowers Plass – sie machten fehlendes Vertrauen sowie ein «toxisches Arbeitsklima» geltend, wie aus dem Urteil hervorgeht. Dazu forderte ein Kantonsspital, dass die ans USZ überwiesenen Patienten nicht vom Whistleblower behandelt werden sollen.
Das Gericht kritisiert allerdings auch das USZ: Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Spitaldirektion nicht umgehend Massnahmen ergriffen habe, um den sich abzeichnenden Konflikt zwischen dem Whistleblower und seinem Chef zu entschärfen. Stattdessen habe sich der Vorsitzende der Spitaldirektion noch für das «grosse persönliche Engagement» bedankt.
Als einzige Massnahme sei dem Whistleblower eine dreimonatiges Sabbatical angeboten worden. Das habe dieser aber nur als Versuch verstehen können, ihn zumindest vorübergehend aus der Herzchirurgie zu entfernen. Insofern sei die Abwehrhaltung des Whistleblowers verständlich, «auch wenn seine Reaktion insgesamt heftig ausfiel», heisst es im Urteil.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Am Unispital soll ein «Kulturwandel» stattfinden
Der Konflikt war derart eskaliert, dass eine Reintegration des Whistleblowers in den Klinikalltag nach der ersten Kündigung nachträglich betrachtet von vornherein unmöglich gewesen war. Die finale Kündigung erfolgte am 29. September 2020 unter Einhaltung der Kündigungsfrist sowie einer Abfindung von sieben Monatslöhnen.
Die Missstände an den USZ-Kliniken waren im Frühling 2020 ans Licht gekommen. Am meisten Aufmerksamkeit erregten Vorgänge an der Klinik für Herzchirurgie.
Der damalige Klinikleiter, Francesco Maisano, soll laut Untersuchung gegen die Vorschriften zu den Nebenbeschäftigungen verstossen haben, weil er privat an einem Unternehmen beteiligt war, das Implantate herstellt und seine Arbeit in Publikationen besser dargestellt haben, als sie offenbar war.
Neben dem Whistleblower sind mittlerweile auch Maisano, der Präsident sowie zwei Mitglieder des Spitalrats, der Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie ein Gynäkologe nicht mehr am USZ tätig. Der Zürcher Kantonsrat arbeitet zurzeit an Gesetzesänderungen, durch die ein Kulturwandel am USZ stattfinden soll. Auch das USZ gelobte Besserung.
André Plass war 2021 für den Prix Courage des Magazins Beobachter nominiert. Gewonnen hat eine andere Kandidatin. (ct/SDA)