Kaum im Amt, die erste Kehrtwende: Am vergangenen Wochenende ging ein Mob am Zürcher Seeufer auf Polizisten los – und plötzlich will Karin Rykart, die neue Grünen-Sicherheitsvorsteherin der grössten Schweizer Stadt, ihre Beamten mit Körperkameras ausrüsten. Noch im Wahlkampf hatte sie sich gegen ein entsprechendes Projekt ihres Vorgängers gewehrt.
Unklar ist, ob Rykart im links-grün dominierten Stadtparlament eine Mehrheit für die sogenannten Bodycams finden wird. Klar hingegen ist: Nicht nur linke Politiker, auch viele Polizisten stehen den Bodycams skeptisch gegenüber.
42 Prozent der befragten Stadtpolizisten sind dagegen
Die Ordnungshüter befürchten, dass die aufgezeichneten Bilder zu ihrem Nachteil ausgelegt werden könnten. In einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) sprachen sich 42 Prozent der befragten Stadtpolizisten gegen den Einsatz der Kameras aus. 58 Prozent sind der Meinung, die Videoaufnahmen könnten dazu genutzt werden, Polizisten blosszustellen.
Auch Max Hofmann spricht sich gegen die Kameras aus. Er ist Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) und sagt: «So etwas darf nicht einfach von Politikern von oben he-rab bestimmt werden. Die Basis muss miteinbezogen werden.» Hofmann stellt klar: «Wir als Verband sind im Moment noch gegen Bodycams.»
Er fordert ein klar definiertes Einsatzreglement. Wann müssen die Kameras eingeschaltet werden? Wann dürfen sie ausgeschaltet werden? Was genau passiert mit den Aufnahmen? Ohne ein solches bestehe die Gefahr, dass die Bilder «zulasten der Polizisten» verwendet werden. Zudem gebe es keine Hinweise, dass die Kameras Gewalt gegen Beamte überhaupt verhindern könnten.
Wissenschaftliche Belege fehlen
Tatsächlich fehlen klare wissenschaftliche Belege dafür. Die Stadtpolizei hat Körperkameras 2017 in vier Einheiten getestet. Eine Begleitstudie der ZHAW kam allerdings zum Schluss, dass es weder deutliche Hinweise auf eine eskalierende noch auf eine deeskalierende Wirkung gibt. Auch in England und den USA, wo Bodycams schon länger im Einsatz sind, konnten keine signifikanten Effekte festgestellt werden.
Trotz der Skepsis will der Schweizer Polizeiverband erst mal abwarten und die von der Stadt Zürich angestrebte Einführung beobachten. Generalsekretär Hofmann sagt: «Wir sind gerne bereit, unsere Position anzupassen, falls unsere Kollegen den Einsatz als erfolgreich einstufen.»
In einem Punkt jedoch sind sich alle einig: Polizisten müssen besser vor gewalttätigen Übergriffen geschützt werden. Denn deren Anzahl nimmt zu: 2017 gab es schweizweit rund 3100 Fälle von Drohungen und Gewalt gegen Beamte – zwölf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Statistik erfasst zwar Angriffe gegen alle Angestellten des öffentlichen Dienstes, ein Grossteil davon dürfte aber Polizisten betreffen.