Trotz Warnung in Falle getappt
«Wir glaubten, alles über Enkeltrickbetrug zu wissen»

Mit einer alten Masche wurden 2017 allein im Kanton Zürich über zwei Millionen Franken erbeutet. Ein Ehepaar schildert, wie es trotz Warnungen in die Falle ging.
Publiziert: 18.11.2018 um 02:15 Uhr
|
Aktualisiert: 22.11.2018 um 11:42 Uhr
1/2
Enkeltrickbetrug in 50 Fällen: Im Aargau läuft gegen Keiler Marcin K. ein Verfahren.
Foto: Spiegel TV
Cyrill Pinto
Cyrill PintoReporter SonntagsBlick

Katharina (77) und Erhard T.* (84) hätten nie gedacht, dass sie auf einen Enkeltrickbetrüger hereinfallen könnten. Doch die Masche funktionierte auch bei dem älteren Ehepaar aus dem Kanton Zürich.

Letzten Dezember meldete sich ein Mann bei ihnen am Telefon. «Erst habe ich den Namen nicht verstanden», erinnert sich Katharina T. «Ich habe ihn dann gefragt: Bist du das, Helge?» Sie glaubte, den Schwiegersohn aus Deutschland am Apparat zu haben.

Die T.s ignorierten die Bedenken der Filialleiterin

«Er hatte eine ähnliche Stimme und sprach auch Hochdeutsch. Er brauche dringend 130'000 Franken für einen Grundstückkauf.» Als die T.s schliesslich zu ihrer Bank fahren und ihnen die Filialleiterin zu bedenken gibt, es könne sich um einen Enkeltrick­betrug handeln, zerstreuten sie sämtliche Bedenken: «Alles in Ordnung, das Geld ist für unseren Schwiegersohn!» Man händigte den beiden 30'000 Franken aus. In einer zweiten Bank erhielten sie nochmals denselben Betrag.

Doch am Ende scheiterte die Geldübergabe. Am vereinbarten Treffpunkt bei der Hardturmstrasse erschien nicht der «Schwiegersohn», sondern eine Botin. Helge stecke im Stau. Katharina T. wurde misstrauisch und sagte, dass sie das Geld nur ihm persönlich überreichen 
werde. Daraufhin verliess die Botin fluchtartig den Treffpunkt.

Die Masche mit dem falschen Polizisten

Fälle von versuchtem und vollendetem Telefonbetrug nehmen derzeit massiv zu. Allein in Bern gingen in diesem Jahr 515 Meldungen wegen Telefonbetrugs ein – im letzten Jahr waren es 362. In Zürich registrierte die Polizei 1696 Betrugsversuche. 43 Mal waren die Betrüger erfolgreich und erbeuteten mehr als zwei Millionen Franken. Die nicht gemeldeten Fälle schätzt die Polizei auf knapp 8700 – eine Verdreifachung gegenüber 2017. Im letzten Jahr arbeiteten die Täter vor allem mit dem Enkeltrick. Nun sind sie auf die Masche mit dem falschen Polizisten umgeschwenkt: Sie geben sich als Ordnungshüter aus, die das Vermögen der Opfer «in Sicherheit» bringen wollen.

So schützen Sie sich

Um sich vor den Telefonbetrügern zu schützen, empfiehlt die Polizei ein paar einfache Regeln. Seien Sie etwa misstrauisch, wenn jemand von Ihnen Geld am Telefon verlangt. Oft handelt es sich um Telefonbetrüger. Rufen Sie die vermeintlich bekannte Person auf der Ihnen bekannten Nummer zurück. Fühlen Sie sich vom Anrufer unter Druck gesetzt, legen Sie den Hörer einfach auf. Und: Übergeben Sie niemals Geld an eine fremde Person. Weitere Tipps von der Polizei: www.telefonbetrug.ch.

Um sich vor den Telefonbetrügern zu schützen, empfiehlt die Polizei ein paar einfache Regeln. Seien Sie etwa misstrauisch, wenn jemand von Ihnen Geld am Telefon verlangt. Oft handelt es sich um Telefonbetrüger. Rufen Sie die vermeintlich bekannte Person auf der Ihnen bekannten Nummer zurück. Fühlen Sie sich vom Anrufer unter Druck gesetzt, legen Sie den Hörer einfach auf. Und: Übergeben Sie niemals Geld an eine fremde Person. Weitere Tipps von der Polizei: www.telefonbetrug.ch.

Dahinter steckt meist ein Roma-Clan, der mit wenig mehr als ein paar Telefonaten Millionen erbeutet hat. Der erfolgreichste Keiler, wie Kontaktpersonen im Gaunerjargon genannt werden, sitzt inzwischen in Hamburg (D) in Haft. Marcin K. hatte auch in der Schweiz Hunderte Rentner um ihr Geld gebracht. Gegen ihn läuft im Aargau ein Verfahren. Rund 50 Geschädigte aus den Kantonen Aargau, Zürich und Bern waren um über eine Million Franken geprellt worden. Manchmal wird ein Kurier erwischt, die Hintermänner jedoch bleiben meist unbehelligt. So wie im Fall des Ehepaars T.*: Zwar schnappte die Polizei die Botin und deren Fahrer bei einem zweiten Betrugsversuch. Der falsche Helge blieb unbehelligt.

«Clan der Betrugstäter weit verzweigt»

Der Zürcher Staatsanwalt Cyrill Hüsser, der die Anklage gegen die beiden Helfer vorbereitet hat: «In der Regel handelt es sich um 
zumindest entfernte Verwandte. Beim Enkeltrickbetrug ist es so, dass der Clan der Betrugstäter weit verzweigt ist.»

Seit Donnerstagmorgem stehen zwei der an der Masche beteiligten Betrüger vor Gericht. Hüsser fordert 20 Monate Gefängnis und einen Landesverweis für den Fahrer, die Botin soll für 33 Monate ins Gefängnis und die Schweiz zehn Jahre lang nicht mehr betreten dürfen.

Herr und Frau T. sind immer noch geschockt, am meisten über sich selbst: «Wir glaubten, alles über Enkeltrickbetrug zu wissen – und fielen trotzdem darauf herein!»

* Namen der Redaktion bekannt

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?