Das Sechseläuten ist eine fest verankerte Zürcher Tradition. Doch sie ist vielen Tierschützern ein Dorn im Auge, weil es immer wieder zu tragischen Pferdeunfällen kommt. Vor zwei Jahren stürzte ein Pferd und erlitt einen Herzstillstand. Für Tierschützer ist der Fall klar: Explosionen, Hitze und die Massen sind eine enorme Belastung für die Tiere (BLICK berichtete). Was bisher kaum bekannt war: Die Zünfte stellen sie deshalb ruhig. Eine Studie zeigt: 13 von 23 untersuchten Zunftpferden am Sechseläuten waren sediert.
Die oft gespritzten Beruhigungsmittel, in der Regel Sedalin, belasten die Tiere enorm, laut York Ditfurth, Präsident des Tierschutzbundes Zürich.
Sedieren führt zu zusätzlichem Stress
«An keinem internationalen Reitturnier dürfen Pferde sediert werden. Dies sollte auch am Sechseläuten so sein», fordert Ditfurth. «Das muss aufhören!»
Das Sedieren sei eine enorme Belastung für die Tiere – auch wenn sie zunächst beruhigt werden. «Beim Sedieren entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit», erklärt Ditfurth. Dies führe zu noch mehr Stress. Studien zufolge kann zu viel Belastung bei einem sedierten Tier ins Gegenteil umschlagen. Wenn es dann plötzlich knallt, können einzelne – vor allem unerfahrene und junge Pferde – in Panik geraden.
Dies sei durchaus nachvollziehbar beim Sechseläuten. Da Pferde Fluchttiere sind, entziehen sie sich dem Reiter in einer solchen Situation. Zusätzlich löst dies bei den anderen Pferden ebenfalls eine Fluchtreaktion aus – was für die anwesenden Zuschauer höchst gefährlich sein kann.
Auch bei der einzigen berittenen Polizei der Schweiz, der Kantonspolizei Bern, werden keine Beruhigungsmittel eingesetzt, erklärt Mediensprecherin Fiona Geissbühler auf Nachfrage. Doch die Pferde seien speziell trainiert für Grossanlässe. Bei Demonstrationen mit Ausschreitungen bleiben die Rössli im Stall.
Betrunkene und unerfahrene Reiter
Neben dem Verabreichen von Sedalin sei es auch problematisch, dass die Pferde zu nahe bei den Menschen sind. «Gerät ein Pferd in Panik, ist das für die Leute gefährlich. Letztes Jahr ist ein Pferd mitten in der Menschenmenge umgestürzt», berichtet Ditfurth.
Der Tierschützer fordert auch den Einsatz von erfahrenen Reitern: «Es sollten Reiter eingesetzt werden, die wöchentlich trainieren.» Dass die Reiter Alkohol konsumieren, sei absolut unangebracht: «Hat man einen Autounfall unter Alkoholeinfluss, wird man bestraft.» Nicht so beim Pferdereiten.
Studienautor ist Zünfter
Ditfurth kritisiert auch die neue Studie der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich, die besagt, dass das Frühlingsfest für die Tiere nicht stressiger sei als eine Spring- oder Dressurprüfung.
«Die Ergebnisse der Studie sind aus mehreren Gründen fragwürdig», bemängelt Ditfurth die Ausführung der Untersuchungen. Einerseits seien nur 23 von rund 500 Pferden getestet worden. Anderseits seien die Testpferde nicht zufällig ausgewählt worden; die Teilnahme an der Studie sei freiwillig gewesen. «Tierarzt und Mitautor der Studie – Michael Hässig – ist ebenfalls Zünfter. So eine Studie kann man nicht ernst nehmen.»