Es hätte so ein schöner Winterspaziergang im Wald sein können. Doch als der Zürcher Sozialarbeiter Cemal L.* (47) und sein Sohn Adal (8) an einem Sonntag im Januar 2018 am Zürichberg zwei Reiterinnen begegneten, war der Spass vorbei.
Laut der Reitlehrerin (31), die mit ihrer Reitschülerin (46) unterwegs war, kam der kleine Adal den Pferden von hinten bedrohlich nahe. Die Reitschülerin warnte darauf den Vater freundlich, dass sein Sohn etwas Abstand nehmen sollte.
Anklage zeichnet deutliches Bild der Ast-Attacke
Die Anklage verrät, wie es weiter ging: «Darauf ergriff der Beschuldigte einen auf dem Boden liegenden Ast beziehungsweise einen Stecken und schleuderte diesen in Richtung der Geschädigten, bzw. der Pferde.» Wütend verfolgte der Sozialarbeiter weiter die Reiterinnen – während zehn Minuten, über einen halben Kilometer in den Wald. Wie von Sinnen habe der Wüterich immer wieder Äste gegen die Vierbeiner geworfen.
Cemal L. liess sich auch nicht davon abhalten, als die Reiterinnen mit ihrem Handy die Polizei alarmierten. Einer der Äste traf eines oder beide Pferde, die daraufhin durchbrannten und einen steilen Hügel herunter galoppierten. Nur durch Glück konnten die Reiterinnen die Pferde schliesslich zum Stehen bringen.
Cemal L. sieht sich als MeToo-Opfer
Der türkischstämmige Sozialarbeiter versuchte gestern vor Gericht mit wirren Erklärungen den Spiess umzudrehen: «Ich hatte Angst, weil die Pferde Adal zu nahe gekommen waren.» Auch auf seinen Wunsch, den Weg frei zu machen, hätten die Frauen nur gelacht, ihm den Stinkefinger gezeigt und rassistisch beschimpft. Sein Quervergleich: die MeToo-Bewegung. «Die dachten wohl, ich sei Harvey Weinstein», so Cemal L. zu seiner Verteidigung.
«Und was war mit den geworfenen Ästen?», wollte der Einzelrichter wissen. Die Antwort des Angeklagten: «Ich habe die Zweige nur neben die Pferde geworfen.» Diese hätten auch gar nicht reagiert. Und überhaupt: «Sie sind auch nicht durchgebrannt und nicht richtig galoppiert.»
Das Gericht glaubte den Aussagen der Frauen
Der Einzelrichter glaubte den «sehr detaillierten und nachvollziehbaren Aussagen» der beiden Frauen. «Ihr risikohaftes Verhalten ist nicht nachvollziehbar», rügte er den Angeklagten, der die Urteilsbegründung mit Kopfschütteln quittierte.
Das Urteil: 10'800 Franken Geldstrafe bedingt
Denn: Das Gericht bestrafte den zurzeit arbeitslosen Sozialarbeiter wegen Störung des öffentlichen Verkehrs, versuchter Körperverletzung und Widerhandlungen gegen das Tierschutzgesetz mit einer bedingten Geldstrafe von 10'800 Franken und einer zahlbaren Busse von 1000 Franken. Hinzu kommen eine Gerichtsgebühr von 2000 Franken plus weiterer Kosten.
*Name geändert