«Täter wollte Geld von mir»
Impf-Chef Berger spricht über seine Entführung

Über eine Stunde lang wird Impf-Chef Christoph Berger von Kevin W. (†38) vor etwas mehr als einer Woche festgehalten. Nun hat er sich erstmals dazu geäussert.
Publiziert: 10.04.2022 um 16:30 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2022 um 13:20 Uhr
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Kevin W. (†38) entführte Impf-Chef Berger.

Wallisellen ZH, ein Wohnblock am vergangenen Mittwoch. Es ist kurz vor 20 Uhr. Die Spezialeinheit Diamant wartet auf den Deutschen Kevin W.* (†38) und seine Freundin Maria S.* (†28). W. hat am 31. März Impf-Chef Christoph Berger (59) entführt und ihn über eine Stunde lang festgehalten. Nun soll er verhaftet werden.

Doch das Vorhaben misslingt. Beim versuchten Zugriff der Polizei zückt W. eine Waffe, hält sie seiner Freundin Maria S. an den Kopf und drückt ab. Auch die Polizisten greifen zur Waffe. In der Frontscheibe des BMWs von Kevin W. sind gemäss Videos, die der «Tages-Anzeiger» einsehen konnte, fünf Einschusslöcher zu sehen. Kevin W. wird von einer oder mehreren Kugeln aus den Polizeiwaffen getroffen. Trotz sofortiger Reanimationsversuchen sterben er und seine Freundin noch vor Ort.

Berger äussert sich erstmals

Kurios: Laut «Tages-Anzeiger» legte die Polizei dem angeschossenen und im Sterben liegenden Entführer Kevin W. noch Handschellen an. Laut Polizisten sei das allerdings nicht ungewöhnlich. Sofern die Möglichkeit bestehe, dass auch schwer verletzte Personen noch zur Waffe greifen würden, ziehe man diesen Handschellen an.

Der entführte Impf-Chef Berger äusserte sich bislang nicht zu der Entführung. Am Sonntag hat er nun in einer Stellungnahme auf die Geschehnisse reagiert. «Der mir bis dahin unbekannte Täter hatte mich eine gute Stunde in seiner Gewalt», teilt Berger in einem Schreiben an die Redaktion mit. «Er hat mich in dieser Zeit mit der Forderung eines substanziellen Geldbetrags konfrontiert. Diese Forderung hat er mit Drohungen verknüpft, was passieren könnte, wenn ich der Forderung nicht innert der von ihm genannten Frist nachkäme», schildert er.

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Es ging um wirtschaftliche Interessen

Nachdem er dem Täter die Erfüllung seiner Forderung zugesichert habe, hätte ihn dieser wieder freigelassen, schreibt Berger weiter. «Ich habe mich danach sofort mit der Kantonspolizei in Verbindung gesetzt, die mich und meine verängstigte Familie seither sehr gut betreut», heisst es in der Mitteilung, die von einer Kommunikations-Agentur verschickt wurde.

Berger schreibt, bei der Entführung seien gemäss seinem Empfinden «einzig wirtschaftliche Interessen» von Kevin W. im Vordergrund gestanden. Bezüge zu seiner Rolle als Impfchef habe W. nicht gemacht. Wie Blick-Recherchen aufzeigten, hatte der Geschäftspartner von Kevin W. Bezüge in die Verschwörungs-Szene. Der Zuger Jeremy A. (34) outete sich 2019 als Anhänger der Flat-Earth-Theorie, also dem Glauben an eine Erde in Scheiben-Form. A. war ausserdem aktiver Teil der Corona-Skeptiker, marschierte unter anderem im März 2021 an einer Demo in Liestal BL mit. Die Anwesenheit der Flacherdler löste selbst in der Skeptiker-Szene Kontroversen aus. Mittlerweile wurde Jeremy A. verhaftet.

Waffen und Munition gefunden

Ob auch Kevin W. Beziehungen in die Skeptiker-Szene pflegte und Impfchef Berger spezifisch als Entführungsopfer ausgewählt hat, ist nicht vollständig geklärt. Recherchen des «Tages-Anzeigers» zufolge pflegte W. aber tatsächlich Verbindungen in die Verschwörungs-Szene. Mehrere Personen erzählen gegenüber der Zeitung, dass W. corona-kritisch eingestellt gewesen sei. So habe er etwa einem möglichen Geschäftspartner beim ersten Treffen erzählt, dass er nicht geimpft sei. Auch die Behörden ermitteln gemäss dem «Tages-Anzeiger» im Corona-Skeptiker-Millieu.

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) warnt schon seit längerer Zeit, dass «ein Teil der Corona-Massnahmengegner Gewalttaten befürwortet, fördert oder ausübt». Auch Sicherheitsexperten mahnen, dass es Menschen gebe, die aufgrund von Covid-19 zu Gewalttaten bereit seien. Gegenüber der «Sonntags-Zeitung» sagte Fedpol-Sprecher Florian Näf, mit der Pandemie scheine «die Hemmschwelle für Drohungen und Beschimpfungen gegen exponierte Personen, insbesondere aus der Politik, noch einmal gesunken zu sein». Auch die Gefahr, dass sich gewaltbereite Personen inspirieren lassen und zur Tat schreiten würden, sei real, so Näf.

Bei der Hausdurchsuchung in Wallisellen fand die Polizei Waffen und Munition. Kevin W. trainierte gemäss Blick-Recherchen regelmässig in einem Schiesskeller in Spreitenbach AG, gemeinsam mit der erschossenen Maria S.

Weshalb W. beim misslungenen Zugriff der Polizei seine Freundin getötet hat, ist bislang unklar. Ihre Mutter schreibt am Freitag in einer Whatsapp-Nachricht an Blick: «Die Polizei hat mir keine konkreten Informationen über das Geschehen gegeben.» Sie werde allerdings «alles unternehmen», um herauszufinden, was wirklich passiert sei. (zis)

* Namen geändert

Anm. d. Red: Auf Wunsch von Christoph Berger verzichtet Blick vorläufig darauf, den Impf-Chef im Bild zu zeigen.

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