Hat sich das Öffnen überhaupt gelohnt?
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Beizen, Coiffeure und Co.Hat sich das Öffnen überhaupt gelohnt?

So lief es den Wirten in der Woche seit dem Lockdown-Ende
Hat sich das Öffnen überhaupt gelohnt?

Seit Montag dürfen Wirte wieder Gäste bedienen. Trotz Freude über die Wiedereröffnung: Die Anzahl Plätze ist beschränkt, der Umsatz ist klein. Vom grossen Ansturm wie bei den Coiffeuren können sie nur träumen.
Publiziert: 15.05.2020 um 23:00 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2020 um 11:33 Uhr
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Trotz finanzieller Herausforderung öffnete Nicole Holenstein (45) diesen Montag praktisch alle ihre Gastro-Betriebe. Darunter die Gräbli-Bar in Zürich.
Foto: zVg
Carla De-Vizzi und Nicolas Lurati

Seit Montag ist die Freiheit zurück – das Ende des Lockdowns und die Rückkehr zur Normalität haben begonnen. Während einige Geschäfte vor drei Wochen schon öffneten, gehörten die Wirte zu den Letzten, die wieder Gäste empfangen durften. Und als wären sie damit nicht schon genug gestraft, machte ihnen diese Woche noch das miese Wetter einen Strich durch die Rechnung.

Zudem mussten auch Restaurants Massnahmen ergreifen: Plexiglasscheiben, Abstelltische und begrenzter Einlass. Darunter leiden besonders kleine Lokale, die wenig Plätze haben.

«Mit so wenig Gästen holt man den üblichen Umsatz nie rein», sagt Nicole Holenstein (45), Inhaberin der Holenstein Gastro. Ihr gehören 17 Zürcher Gastrobetriebe, etwa die Gräbli-Bar, die drei Akte, die Bierhalle Wolf sowie das Gregory's Pub. Auch Alexander Bücheli (45) von der Bar & Club Kommission Zürich bestätigt, dass die Schutzmassnahmen besonders für kleine Bars eine grosse Herausforderung darstellen. «Es gibt Lokale, die mit einer Öffnung jetzt mehr Geld verlieren, als sie einnehmen würden.» Einige blieben deshalb geschlossen.

Den Kunden zuliebe geöffnet

Trotzdem entschloss sich Holenstein dazu, fast alle Betriebe zu öffnen – den Kunden zuliebe. «Wir haben so viele Stammgäste, es wäre gar nicht möglich gewesen, jetzt nicht zu öffnen.» Besonders das Herz der Stammgäste der Gräbli-Bar habe während des Lockdowns geblutet. «Sie sind in der Gräbli-Bar zu Hause», sagt Nicole Holenstein. «Auch die Mitarbeiter waren froh, dass sie wieder arbeiten durften, und die Gäste strahlten vor Freude.»

Trotz schwieriger finanzieller Lage verliert Nicole Holenstein den Optimismus nicht: «Wir versuchen um jeden Preis, unsere Bars geöffnet zu halten. Es ist Zeit, nach vorne zu schauen.»

«Hätten wir zu, käme gar nichts rein»

In der Gastrobranche ziehen andere ein positives Fazit. «Die Woche hat sich ganz klar gelohnt», sagt Angela Christen (36), Wirtin vom Rössli in Stansstad NW. «Denn wir sind froh um jeden Franken. Hätten wir zu, käme gar nichts rein.»

Am Abend seien sogar mehr Gäste als erwartet zu Besuch gewesen. «Dabei dachte ich, dass wegen des schlechten Wetters nichts los sein würde.» Nur die Mittagsgäste seien weniger zahlreich erschienen als sonst. «Wir vermissen die Bauarbeiter, die zum Znüni und Zmittag kommen, aber auch die Banker und Büroleute fehlen. Vielleicht hat ihnen der Arbeitgeber untersagt, im Restaurant mittagessen zu gehen. Und viele machen ja Homeoffice.» Beim Mittagessen hatte das Rössli deshalb diese Woche nur halb so viele Gäste wie zu normalen Zeiten.

Im Hotel-Restaurant Krone in Attinghausen UR stimmen dagegen die Morgen- und Mittagsumsätze. Wirt Joe Herger (59): «Wenn ich Bilanz ziehe für die erste Woche, so fällt sie eher positiv aus. Dass der Umsatz nicht gleich gross sein wird wie sonst, war klar.» Was fehlt, seien die Einnahmen aus dem Saalgeschäft. «Wir hätten dieser Tage acht Veranstaltungen im Saal gehabt.»

«Viele haben während Corona das Gärtnern entdeckt»

Schon drei Wochen wieder geöffnet haben Coiffeure, Tattoo-Studios und Gartencenter. Viele sind zufrieden, wie die Geschäfte angelaufen sind – manche erlebten anfänglich gar einen regelrechten Ansturm. Mittlerweile hat sich der Alltag eingependelt.

«Das Fazit seit der Wiedereröffnung fällt sehr positiv aus», sagt Monika Kündig (58), Chefin vom Pflanzencenter Kündig Baumschulen AG in Ibach SZ. Das frühlingshafte Wetter sei ihnen entgegengekommen. Kündig stellte zudem fest: «Die Leute waren nicht wählerisch, sondern einfach froh, wenn sie eine Pflanze nach Hause nehmen durften. Ich habe das Gefühl, dass viele während der Corona-Zeit eine Affinität zum Gärtnern entwickelt haben.»

Genauso tönt es im Tattoo-Studio «Kunststich» von Patrick Huber (51) in Aarau. «Meine Stammkunden sind immer noch da. In der ersten Woche der Wiedereröffnung hatte ich einen Ansturm. Einige kamen, um das Piercing zu wechseln. Andere, um das Tattoo fertigzustellen, das vor Corona angefangen wurde.»

Ansturm auf Coiffeure und Kosmetikstudios

Auch der Coiffeuse Isabella Linares (45) von Make Hair in Spreitenbach AG hielten die Stammkunden die Treue. «Vereinzelt konnte ich sogar neue Kunden gewinnen.» Die ersten zwei Wochen nach der Wiedereröffnung seien sehr streng gewesen. «Ich hatte da wirklich sehr viele Kunden. Jetzt ist es etwas ruhiger.»

Ebenfalls rund angelaufen ist das Geschäft des Kosmetikunternehmens Ella. Chefin Sharona Meshulam (30): «In den ersten zwei Wochen wurden wir richtig überrannt. Den Kunden, denen eine Kosmetikbehandlung wichtig war, die kamen sofort.» Die Bilanz für die ersten zwei Wochen nach der Wiedereröffnung falle sehr gut aus. Doch unterdessen kam die Ernüchterung: «Die jetzige Woche, also die dritte, läuft schlechter als normal. Die Bilanz dieser Woche ist nicht gut.»

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