Die Winterthurer Geschwister Vedad* (20) und Edna* (19) sehen nicht aus, wie man sich typische IS-Anhänger vorstellt. Edna trägt aufwendig frisiertes, langes Haar, eine ausgeschnittene Bluse und enge Hosen. Auch Bruder Vedad kleidet sich modern, das Haar nach hinten gebunden. Optisch zwei völlig unauffällige junge Erwachsene.
Trotzdem müssen sich die Geschwister seit heute Montag vor dem Jugendgericht Winterthur verantworten: Sie sind an Weihnachten 2014 nach Syrien gereist. Und sollen dort das Terrorregime des Islamischen Staates unterstützt haben. Bekannt wurden die beiden unter den Spitznamen «IS-Teenager» oder «Dschihad-Teenager». Für die Unterstützung der Terrororganisation droht ihnen je ein Jahr bzw. 11 Monate Gefängnis auf Bewährung. Geurteilt wird nach Jugendstrafrecht. Bei der Dschihad-Ausreise waren die beiden 15 und 16 Jahre alt. Deshalb ist die Öffentlichkeit auch über weite Teile der Verhandlung ausgeschlossen.
«Muslime werden weltweit unterdrückt»
Über weite Strecken verweigerten beide Angeklagten ohnehin die Aussage. Nur Vedad liess sich zu einigen gehässigen Statements gegen den Westen hinreissen. Er soll in Syrien eine Koranschule besucht und den IS logistisch unterstützt haben. Dass er sich an Kampfhandlungen beteiligt haben soll, wird ihm nicht vorgeworfen. «Es stimmt, dass die Muslime weltweit unterdrückt werden durch den Terror der Politiker. Dass sich da radikale Organisationen bilden, ist kein Wunder», schimpfte er.
Und: Er sei auf seine Arbeit im Kalifat stolz: «Ich verspürte in Syrien eine Süsse, weil ich den Menschen half. Aber in Syrien ist man dem Tod sehr nahe, das Land wird von der ganzen Welt bombardiert.». Seine Schwester Edna hat laut Anklage Kinder gehütet und Englisch unterrichtet. Äussern will sie sich dazu nicht. Was laut Anklage erschwerend hinzukommt: Von Syrien aus sollen die Geschwister für das Terrorregime Propaganda betrieben haben. Sie versuchten Freunde und Bekannte zu überzeugen, sich der Terrormiliz anzuschliessen.
Urteil erst im neuen Jahr
Auch zur spektakulären Rückreise der beiden, gab es einige neue Details: So reiste die Mutter der Teenager nach Syrien, um den Nachwuchs abzuholen. Sie musste drei Monate im Land bleiben, bis sie die Teenager endlich in die Schweiz zurücknehmen konnte.
Der Prozess soll sich über drei Tage hinziehen, ab jetzt unter Ausschuss der Öffentlichkeit. Das Urteil soll erst im neuen Jahr fallen. Ein Verteidiger hat durchblicken lassen, dass er einen Freispruch fordern wird.
An'Nur-Moschee im Zentrum
Radikalisiert wurden Edna und Vedad im Dunstkreis der Winterthurer An'Nur-Moschee. Einer der Kontaktmänner aus der Islamistenszene war für Vedad der Thaibox-Weltmeister Valdet Gashi, der in der Stadt Kampfsporttrainings für muslimische Männer als Vorbereitung auf den Krieg in Syrien angeboten hatte. Zusammen mit drei weiteren Männern schloss sich auch Gashi dem IS an. Sie alle sollten den Dschihad wenig später mit dem Leben bezahlen.
Nicht so die Kinder von Haljit L. Schon nach einem halben Jahr setzte ihnen das Leben im Kriegsgebiet so zu, dass Edna und Vedad die Flucht vor dem IS planten. Frei kamen sie aber erst, nachdem ihre Eltern mehrere Zehntausend Franken für die beiden ausbezahlt hatten. Ende Dezember 2015 werden sie von der Polizei am Flughafen Zürich festgenommen.
Laut «Tages-Anzeiger» kamen Vedad und Edna danach in Jugendanstalten unter und mussten an einem Deradikalisierungs-Programm teilnehmen. Reue sollen sie nach ihrer Rückkehr aber keine gezeigt haben – wie sich heute vor Gericht wieder zeigte.
* Namen geändert** Name der Redaktion bekanntDschihad-Teenies von Winterthur vor Gericht