Für das Gericht lassen sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht beweisen. «Wir finden keine Beweise in den Akten, dass Strom im Wert von 400 Franken bezogen wurde«, sagte der Richter bei der Urteilsverkündung. Gemäss seiner Rechnung ginge es - wenn überhaupt - höchstens um einen Betrag von rund 9 Franken.
Zwar gebe es Bilder, auf denen der Beschuldigte eindeutig zu erkennen sei und auf denen er mutmasslich auch ein Stromkabel in den Händen halte. «Wir wissen aber nicht, was Sie damit gemacht haben», sagte der Richter. Es könne auch sein, dass der 44-Jährige erst beim Abbau mitgemacht habe - was nicht strafbar wäre.
Für das Gericht blieben zu viele Fragen offen. «Wir sind nicht überzeugt, dass sich der Vorfall so abgespielt hat wie in der Anklageschrift beschrieben.» Daher erfolgte der Freispruch für den Schweizer. Das Gericht sprach dem Mann, der sich vor Gericht zum Vorfall nicht äusserte, ausserdem eine Entschädigung von 4600 Franken für seinen Anwalt zu.
Verteidigung forderte Freispruch
Es folgte damit den Anträgen des Verteidigers. Auch für ihn war nicht klar, wie die Staatsanwaltschaft auf einen Betrag von 400 Franken gekommen war.
Er frage sich zudem, wer überhaupt der Geschädigte sei. Laut Anklage ist es das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz), das den Beschuldigten auch angezeigt hatte. Für den Verteidiger hingegen wäre es - wenn es einen Geschädigten gibt - der Eigentümer des Areals, also der Kanton. «Jetzt ist es so, als ob ein Lieferant, nachdem er seine Ware im Laden abgeliefert hat, einen späteren Ladendieb anzeigen würde.«
Ausserdem zweifelte er an, dass sein Mandant auf den Bildern zu sehen ist und was die abgebildete Person darauf tut. «Die Fotos, die den Beschuldigten zeigen sollen, sind unverwertbar», sagte er.
Der Staatsanwalt, der an der Verhandlung nicht teilnahm, forderte wegen «unrechtmässiger Entziehung von Energie» vergeblich eine bedingte Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Franken. Für ihn war klar, dass der Beschuldigte dabei war, als die Besetzer «fachmännisch eine Stromleitung zu ihren Geräten zogen".
Der Beschuldigte, ein Hauswart, soll dafür einen Bau-Elektrokasten angezapft haben, der bereits auf dem Areal stand. Den Strom benötigten die Besetzer, um ihren Festplatz mit Restaurant und Bühne zu betreiben.
Fest hat keine finanziellen Folgen
Mit dem Freispruch vom Donnerstag hat das illegale Fest vom Juli 2015 auf dem Binz-Areal keine finanziellen Folgen für die Besetzer. Damals hatten rund 100 Personen das leerstehende Industrieareal in Beschlag genommen, um ein dreitägiges grosses Fest zu feiern.
Während der Kanton Zürich als Besitzer des Areals die Räumung forderte, liess die Stadtpolizei die Besetzer gewähren, weil sie Ausschreitungen befürchtete. Sie kontrollierte lediglich die Besetzer.
Die Kosten für diesen Polizeieinsatz beliefen sich schliesslich auf 225'000 Franken. Die Abfallbeseitigung kostete weitere 32'500 Franken. Beides stelle die Stadt den Besetzern nicht in Rechnung.
Der Hauswart war aber nicht der erste Binz-Besetzer, der sich vor Gericht verantworten musste. Bereits im März wurde einer der Hausbesetzer zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er den SVP-Politiker Mauro Tuena beschimpft und geschubst hatte. Auch FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger wurde damals tätlich angegangen. Die Polizei konnte jedoch nicht ermitteln, wer dafür verantwortlich war. (SDA)