Pietro F.* (20) kam mit einem blauen Auge davon. Das Bezirksgericht Bülach ZH sprach ihn frei – weil ein entsprechender Gesetzesartikel fehlt.
Im September 2017 hatte sich der damals 19-jährige angehende Student mit seinem damals 18-jährigen Tinder-Date, Fiona T.*, auf dem Uetliberg getroffen. Anschliessend ging es in der Wohnung der Frau in Wallisellen heiss zu und her, schreibt der «Tagesanzeiger».
Die beiden hatten sich auf den Gebrauch eines Präservativs geeinigt – obwohl der Mann erst dagegen war und sie ihn überzeugen musste. Während des Sex hatte der 19-Jährige den Gummi dann abgestreift, ohne dass sie es wusste – sogenanntes «Stealthing». Die Frau zeigte ihn fünf Monate später dafür an.
Kondom beim Oralsex abgezogen
F. gab vor Gericht an, mit der 18-Jährigen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Dies bestätigte auch Fiona T. selbst. Dann aber gingen die Aussagen auseinander. Ihrer Aussage zufolge habe ihr Sexpartner den Akt unterbrochen, sie oral stimuliert und anschliessend ohne Schutz die Penetration von hinten fortgesetzt. Ohne ihr Bescheid zu geben.
Er dagegen behauptet, dass sie ihm das Kondom selbst abgezogen hätte und ihn nach dem Oralsex zu einer Fortsetzung aufgefordert habe. Das bestätigen beide, die Frau betonte aber, dass sie dies natürlich mit Gummi gemeint habe.
Als die Frau nach einer Minute merkte, dass das Kondom fehlt, unterbrach sie den Sex und suchte am nächsten Tag einen Arzt auf, um sich Medikamente zur HIV-Prophylaxe verschreiben zu lassen. Die Studentin sagte am Prozess laut dem «Tages-Anzeiger» unter Tränen, dass die dreimonatige Wartezeit bis zum erlösenden Ergebnis eine sehr belastende Zeit gewesen sei.
«Verständigungspanne»
Die Staatsanwaltschaft sprach von Schändung und forderte eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Für den Verteidiger dagegen handelte es sich klar um eine «Verständigungspanne», weswegen sein Mandant freigesprochen werden müsste. Das Gericht gab der Verteidigung Recht und sprach Pietro F. frei. Man glaube zwar zu hundert Prozent den Aussagen der Frau, für eine Bestrafung fehle jedoch das entsprechende Gesetz.
Der Sex sei einvernehmlich gewesen, eine Schändung habe nach dem gesetzlichen Straftatbestand nicht vorgelegen. Das Entfernen des Kondoms sei lediglich eine Missachtung der Spielregeln beim Sex gewesen. F. muss für die Gerichts- und Untersuchungskosten in Höhe von rund 6000 Franken aufkommen.
Der vierte Prozess wegen Stealthing
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Mann wegen Stealthings vor Gericht landet. 1993 wurde ein Mann vom Zürcher Obergericht der Schändung schuldig gesprochen und mit 14 Monaten Haft bestraft. Die Bewährung betrug drei Jahre.
Im Mai 2017 wurde ein Franzose vom Strafgericht Lausanne wegen Vergewaltigung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Das Kantonsgericht Waadt hat die Verurteilung bestätigt, den Sachverhalt aber als Schändung eingestuft.
Anders als in Lausanne, entschied ein Basler Richter in einem Fall im Januar 2019. Der 35-jährige Bosnier aus Gelterkinden BL, der mit einer Escort-Dame im August 2017 Sex hatte, wurde freigesprochen. Dies, weil die Tat nicht den Kriterien einer Schändung entsprach. Allerdings musste der Bauarbeiter für die Behandlungskosten des Callgirls aufkommen und ihr als Genugtuung 2000 Franken zahlen. Weitere 20'000 Franken Verfahrenskosten musste er ebenfalls berappen. (man)
*Name geändert