Das ging den Deutschen fast zu schnell: Ab acht Uhr stand Komiker Karl Dall (73) gestern in Zürich vor Gericht. Um 19.20 Uhr verkündete das Gericht das Urteil: Freispruch, die Vergewaltigungsvorwürfe sind vom Tisch.
Die Zeitung «Bild» staunt und fragt: «Warum dauerte der Prozess nur einen Tag?» Der Zürcher Strafrechtsprofessor Daniel Jositsch erklärt es der Zeitung: «Das ist in der Schweiz üblich. Denn die gesamte Beweisaufnahme erfolgt im Vorfeld durch die Staatsanwaltschaft, auch die Zeugenbefragungen.» Der Richter arbeite sich die Akten und Protokolle ein, befrage am Prozess oft nur noch den Beschuldigten.
Effizienz vs. Rechtsstaatlichkeit
«Das beschleunigt das Verfahren sehr», sagt Jositsch. Aber: «Es führt aber auch zu der Kritik, dass die Rechtsstaatlichkeit dem Effizienz-Gedanken geopfert wird.»
In Deutschland läuft alles anders: Hier wird strikt das so genannte Unmittelbarkeitsprinzip angewandt. Das heisst: Die Richter dürfen sich bei der Urteilsfindung nur auf das abstützen, was unmittelbar an der Verhandlung vorgetragen wird. Prozesse dauern tagelang, verstreut über Wochen und Monate.
Wie etwa jener gegen Wetterfrosch Jörg Kachelmann. Dieser dauerte von September 2010 bis zur Urteilsverkündung im Mai 2011. (spi)